heute in bremen : „Filme sind exakter“
Im Rahmen der Reihe „Treffpunkt Bibliothek“ zeigt das Landesfilmarchiv seine Schätze
taz: Herr Knauf, Sie lesen Filme vor?
Diethelm Knauf, Landesfilmarchiv: So ähnlich. Ich zeige Filmausschnitte und lese dazu Auszüge aus Briefen und literarischen Werken, in denen es um Auswanderung in die USA geht.
Was gibt’s zu sehen?
Gezeigt werden Bilder aus New York, Bremerhaven und vom Schiff, genauer vom Zwischendeck, gefilmt vom Schriftsteller Manfred Hausmann, der 1928 auf der „Dresden“ mitgefahren ist. Das ist eine absolute Rarität. Mir ist nicht bekannt, dass es noch andere Film-Aufnahmen vom Zwischendeck gibt.
Wie kommt das?
Dafür haben sich wenige interessiert. Die Reedereien haben lieber die Kajüten und Salons auf den oberen Decks filmen lassen, damit ließ sich Werbung machen. Das Zwischendeck war ja extra eingezogen worden für die armen Amerika-Auswanderer. Durch die Bilder von Hausmann bekommt man eine Vorstellung davon, wie eng und miefig es dort war – und wie dunkel. In dieser Enge spielte sich alles ab: Geburt, Tod, Krankheit, Leidenschaft.
Und was zeigen Sie aus New York?
Das sind ganz alte Aufnahmen zwischen 1903 und 1906. Thomas Edison hat die Ankunft auf Ellis Island gefilmt, wie die Leute medizinisch untersucht und von den „Immigration officers“ befragt wurden. Durch die Porträtaufnahmen wird sehr deutlich, wie verunsichert und ängstlich die Menschen waren und wie unbändig froh, wenn sie die Erlaubnis zur Einreise bekamen. Die haben getanzt und gelacht.
Welchen Stellenwert haben solche Filmaufnahmen im Vergleich mit schriftlichen Quellen?
Es ist leider immer noch so, dass sie meistens nur zur Illustration genutzt und als Quellen nicht ganz ernst genommen werden. Dabei sind sie immer, wenn es um Abläufe, beispielsweise Arbeitsprozesse, geht, am exaktesten. INTERVIEW: EIB
„Bilder lesen“, literarische Texte und Filme zum Thema Auswanderung: 16.30 Uhr, Landesinstitut für Schule (Bibliothek), Am Weidedamm 20.