heute in bremen : „Wir wollen den Blick erweitern“
Historikerin Susanne Heim stellt 16-bändige Quellensammlung über die Judenverfolgung vor
taz: Frau Heim, was zeichnet Ihr Projekt aus?
Susanne Heim, Projektkoordinatorin am Institut für Zeitgeschichte in Berlin: Die bisherigen Veröffentlichungen konzentrieren sich meist auf einen bestimmten Zeitraum oder Ort. Wir wollen einen umfassenden Überblick schaffen. Gerade in Osteuropa wurde vieles schon früh bearbeitet, erschien aber nur in kleiner Auflage und nicht in deutscher Sprache. Diese graue Literatur wurde viel zu wenig berücksichtigt. Wir verzichten nicht auf Dokumente wie das Protokoll der Wannsee-Konferenz. Es sind aber die bisher unbekannten Zeugnisse des Alltags, die den Blick erweitern.
Es soll 16 Bände geben. Ist so etwas überhaupt noch lesbar?
Manches ist nur für den Historiker zugänglich. Unser Ziel ist es aber, einen repräsentativen Überblick und ein facettenreiches Bild zu zeichnen, das auch für Laien interessant ist. Die Erfahrung zeigt, dass viele Leute bei Lesungen der Dokumente stundenlang mit Interesse zuhören.
Mit welchen Quellen arbeiten Sie?
Wir mischen verschiede Perspektiven. Dazu dienen persönliche Briefe wie amtliche Berichte und Zeitungsartikel. Da es sich um ein deutsches Projekt handelt, müssen wir uns besonders mit der Täterrolle auseinandersetzen. Aber die Sicht der Täter wird immer wieder durchbrochen durch subjektive Dokumente der Verfolgten. Spannend ist auch die Perspektive der ausländischen Beobachter. Zeitzeugen, die nicht verfolgt wurden, kommen zu Wort. Leider haben die ihre Erfahrungen nur selten zu Papier gebracht. INT: STH
Villa Ichon, Goetheplatz, 20 Uhr