heute in bremen : „Sich schämen, überlebt zu haben“
Die Ausstellung „Lebens–geschichten“ zeigt Schicksale von Christen jüdischer Abstammung
Herr Eisenhauer, Ihr Arbeitskreis hat die Ausstellung ehrenamtlich erstellt. Wie kamen Sie zu dem Thema?
Günther Eisenhauer, Mitglied des kirchenhistorischen Arbeitskreises Bremen: Mein Grund ist sehr persönlich. Ich bin Jahrgang 1923 und habe einen guten Freund, dessen Vater als Jude verfolgt wurde. Ich lernte ihn erst nach dem Krieg kennen. Er lebte nur sieben Kilometer von dem Ort entfernt, an dem auch ich groß wurde. Gleichzeitig, aber unter völlig anderen Bedingungen. Das letzte, was er von seinem Vater hatte, war eine Karte aus Birkenau – und die Nachricht, er sei dort an Herzinfarkt gestorben.
Und die Familie Ihres Freundes waren Christen?
Ja, deutsche Christen. Der Vater hatte im Ersten Weltkrieg für Deutschland gedient und war von Frankreich aus dem Elsass verwiesen worden. Die Nazis fragten bei der Verfolgung nicht nach Religionszugehörigkeit. Ein Christ, der jüdische Eltern hatte, war Jude. Am längsten verschont wurden die so genannten „Halbjuden“, die Christen waren. Aber spätestens im Herbst 1944 kamen auch diese ins Arbeitslager. Für Bremen hieß dies zunächst Zwangsarbeit in Farge.
Was zeigt die Ausstellung?
Wir greifen zunächst die nationalsozialistische Gesetzgebung auf. Das Perfide ist ja, dass es einen „gesetzlichen Antisemitismus“ gab, das heißt, die Nazis agierten immer auch im Namen des Rechts gegen die Juden. Dann zeigen wir die Fluchtwege „christlicher Juden“ auf sowie Einzelschicksale derer, die in Bremen geblieben sind. Manche der von uns Interviewten hatten noch nicht mal in ihren Familien über die NS-Verfolgung geredet. Einige schämten sich sogar, überlebt zu haben.
Fragen: patt
Ausstellung: bis zum 30. Juni in der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Bibliotheksstraße