heute in bremen : „Bei Kindern hört die Toleranz auf“
Was Kinder über ihre schwulen und/oder lesbischen Eltern denken, weiß Uli Streib-Brzic
Sie haben Ihr erstes Buch zum Thema lesbische Mütter 1991 geschrieben. Was hat sich seitdem verändert?
Uli Streib-Brzic, Soziologin und Therapeutin: Sehr viel. Damals galt Lesbischsein und Mutterschaft ja als Widerspruch, sowohl außerhalb als auch innerhalb der Szene. In das lesbische Selbstbild der „unabhängigen Amazone“ passte es nicht, Kinder zu haben.
Und heute sind homosexuelle Eltern selbstverständlich?
Für Schwule und Lesben ist es in ihren Szenen viel leichter zu sagen, dass sie sich ein Leben mit Kindern vorstellen können, aber gesamtgesellschaftlich sind trotz aller Studien, die Kindern von Schwulen und Lesben eine ganz normale Entwicklung bescheinigen, viele Vorurteile noch sehr lebendig.
Welche?
Lesbischen und schwulen Eltern wird die Erziehungsfähigkeit abgesprochen, hauptsächlich mit den Argumenten, sie hätten wechselnde Partnerschaften, würden ihre Kinder zur Homosexualität erziehen, Kinder von schwulen Paaren seien dem Risiko ausgesetzt, sexuell missbraucht zu werden und die Kinder seien sozial stigmatisiert. Dass der Toleranzpegel bei der Kinderfrage zurückgeht, zeigt sich auch daran, dass Schwule und Lesben immer noch nicht gemeinsam Kinder adoptieren können und Ärzte nur bei Frauen in heterosexuellen Partnerschaften eine Insemination durchführen dürfen.
Aber ist es für Kinder nicht schwierig, wenn sie vier Eltern haben – die das Kind „übererziehen“?
Ich glaube, dass es Kindern nur gut tut, wenn sie mehrere Bezugspersonen haben.
Dazu gibt es noch keine Untersuchungen?
Nein, wäre aber eine spannende Frage, die sich auch für Kinder, die in Kommunen und anderen Wahlfamilien aufwachsen, stellt. Interview: Eiken Bruhn
Vortrag „Regenbogenfamilien – Alltägliches Anders-Sein“: 20 Uhr, Belladonna (Sonnenstraße 8). Eintritt: 6 €, erm. 4 €. Für Männer und Frauen.