piwik no script img

Archiv-Artikel

hartz im parlament Befolgen und bejubeln

Der 26. August 2004 wird als denkwürdiger Tag in die Berliner Parlamentsgeschichte eingehen. In einer aktuellen Stunde, angesichts der Massenproteste gegen Hartz IV einberufen, begrüßten mit einer Ausnahme alle Fraktionen die Arbeitsmarktreformen – nur die PDS stimmte gegen eine entsprechende Entschließung. Obwohl sie an der Umsetzung mitarbeitet. Sie sei zur Umsetzung von Bundesgesetzen verpflichtet, nicht zum Bejubeln, begründete Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) ihren Spagat zwischen Opposition und Mitregieren. Ganz Unrecht hat sie damit nicht.

Kommentar von RICHARD ROTHER

Sicher, die PDS könnte die Koalition verlassen, – um Hartz IV nicht befolgen zu müssen. Vielleicht wäre das konsequent, hat die Partei doch von Anfang an das Vorhaben bekämpft. Aber glaubt jemand, dass diejenigen, die gestern einen Keil in den rot-roten Senat zu treiben suchten, in einer ähnlichen Situation diesen Schritt gemacht hätten?

Das Kalkül, die PDS so im Parlament zu isolieren, könnte auch nach hinten losgehen. Denn jeder Anti-Hartz-Demonstrant sieht nun – allem Verwirrspiel um bundes- und landespolitische Zuständigkeiten zum Trotz – eines genau: wer prinzipiell für Hartz IV und wer dagegen ist. In der Folge dürfte der Protest eher noch zunehmen.

Ein „Aufhetzen“ der Betroffenen ist dabei – wie unterstellt wird – gar nicht nötig. Hartz IV, von Rot-Grün initiiert und von CDU und FDP forciert, versteht sich von selbst, spätestens seit der Verschickung der Formulare: Wer länger als Jahr arbeitslos ist, wird zum Sozialhilfefall; das Vermögen und das Einkommen des Partners werden rigide angerechnet. So sollen die Kosten für die Arbeitslosigkeit gedrückt werden, weil anders der Sozialstaat nicht zu finanzieren sei, meinen die Hartz-Befürworter. Haben sie, als sie Milliarden-Steuergeschenke an Unternehmen und besser Verdienende verteilten, gefragt, ob das alles finanzierbar sei?