hamburger szene : Mein Busfahrer kann zaubern
Mein Fahrer ist unterfordert. Virtuos lenkt er seinen Metrobus durch den dünnen Samstagabendverkehr. Nebenbei sortiert er seine Einnahmen, ab und zu trinkt er einen Schluck Kaffee – und er spielt das Ampel-Spiel. Das funktioniert wie in dem Film „L. A. Story“, in dem Steve Martin so tut, als könne er mit einem Fingerschnippen die Beleuchtung von Hollywood einschalten: Er weiß, wann sie angeknipst wird und becirct damit seine Angebetete.
Ein ähnliches Wunder verschafft sich mein Busfahrer, indem er vor roten Ampeln vom Gas geht, seinen Wagen ausrollen lässt und – schnipp – wieder beschleunigt, wenn die Ampel auf Grün springt. Wann immer er es vermeiden kann, auf die Bremse zu treten, freut er sich.
Mit dem „Einen-schönen-guten-Abend“-Spiel hat er leider weniger Glück: Jeder Fahrgast, der vorne einsteigt, wird aufmunternd begrüßt. Die Hälfte der Einsteigenden jedoch glotzt nur blöde, und selbst unter denen, die überhaupt reagieren, kriegen einige kaum die Zähne auseinander. Wunder zu wirken, fällt bei diesem autistischen, kraftlosen, deprimierten Volk selbst einem zaubernden Busfahrer schwer.
Zu allem Überfluss hat er noch an einer anderen Front zu kämpfen: mit Autofahrern am Rande des Nervenzusammenbruchs, die bei der kleinsten Gelegenheit hupen und halsbrecherisch überholen. Es müssen ja gar nicht alle Hamburger Wunder wirken. Etwas Höflichkeit würde genügen. Gernot Knödler