hamburger szene : Umsonst fahren
Es passiert immer dann, wenn keiner damit rechnet: Die Türen der U-Bahn schließen, und zwei Menschen rufen: „Die Fahrkarten bitte!“ Dann wühlt man nach seiner Karte, und wenn man sie hat, fragt man sich: Wird jetzt einer erwischt?
In meiner Sitzgruppe scheint es nicht so. Der alte Mann neben mir hat seine Karte zwischen Hand und Gehstock geklemmt. Und am Fenster gegenüber hat der Mann sie im Portemonnaie. Es gibt darin beschriftete Fächer für alle möglichen Geldscheine. Wahrscheinlich Sehschwäche, denke ich. Aber er trägt keine Brille. Dafür achtet er penibel darauf, dass er den türkischen Jugendlichen neben sich möglichst nicht berührt. Und seine Füße bleiben dabei immer genau nebeneinander stehen. Er scheint es ordentlich zu mögen.
Der Kontrolleur blickt auf unsere Fahrkarten und stutzt. „Die ist nicht gültig“, sagt er zu dem Jugendlichen. „Aber die habe ich doch gerade gekauft“, antwortet der. „Ist aber nicht der richtige Bereich. Sie müssen mit uns aussteigen“, sagt der Kontrolleur. Beschämt blickt der Junge zu Boden. Der Ältere versucht mit Blicken zu trösten, der Ordentliche steht umständlich auf. Als wir in den Bahnhof einfahren, lässt der Penible seine Fahrkarte in den Schoss des Jungen fallen und geht zu Tür.
Bevor wir verstehen, öffnen die Türen und er verschwindet Richtung Ausgang. Der Jugendliche wird unbemerkt von der Aktion von den Kontrolleuren nach draußen begleitet. Viel zu schnell fährt die Bahn weiter. Wenn sowas passiert, dann doch immer überraschend. Jasmin Klofta