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Archiv-Artikel

guten tag, ich lebe in ihrem kühlschrank und bin ein käse von RALF SOTSCHECK

Bei acht von zehn britischen Familien ist das Klo sauberer als der Kühlschrank. Das kam neulich bei einer Untersuchung heraus. 28 Prozent der Befragten warten, bis ein ungewöhnlicher Geruch aus dem Kühlschrank strömt, bevor sie eingreifen. Wir warten meist noch länger und hoffen, dass der Epoisse-Käse für das Verwesungsaroma verantwortlich ist.

Es ist beruhigend, dass wir nicht die einzigen sind. Die Observer-Kolumnistin Barbara Ellen schrieb, sie lebe im häuslichen Äquivalent von „Apocalypse Now“. Ihr Expartner habe sie während einer wütenden Auseinandersetzung angeblafft, er hätte sofort die Flucht ergreifen sollen, als er den Zustand ihrer Wohnung sah. Als er Ellen gerade kennen gelernt hatte und auf ihrem Sofa mit ihr schmuste, seien schmutzige Teller wie Hände aus einem Grab zwischen den Kissen aufgetaucht, warf er ihr vor.

Ich lernte den wahren Zustand unserer Wohnung kennen, nachdem ich wegen Sehstörungen auf eine hohe Cortison-Dosis gesetzt wurde. „Das Medikament kann zur Hyperaktivität bis hin zur Psychose führen“, warnte die Ärztin. Ein paar Tage später, als wir gemütlich am Küchentisch saßen und ein Gläschen Wein tranken, sprang ich aus heiterem Himmel auf und machte mich am Kühlschrank zu schaffen. Das untere Regal war mit Chutney in allerlei Geschmacksrichtungen gefüllt. Ich hasse Chutney. Alle Familienmitglieder hassen Chutney. Dennoch standen sieben Gläser davon im Kühlschrank – seit mehr als einem Jahrzehnt jenseits der Haltbarkeitsgrenze. Es handelte sich, so erinnerte ich mich dunkel, um einen Wohltätigkeitskauf auf dem Weihnachtsbasar in der Grundschule der Kinder. Die sind inzwischen berufstätig.

Danach kam der Gefrierschrank an die Reihe. Ich erfuhr aus erster Hand, was unter dem gefürchteten „Gefrierbrand“ zu verstehen war, vor dem in den Zeitschriften im Zahnarztwartezimmer stets gewarnt wird. Wir spielten eine Weile das heitere Päckchenraten, bei dem man herausfinden musste, um welche Lebensmittel es sich gehandelt hatte, bevor der Gefrierbrand zuschlug. Danach kam die Ware zu den Chutneys in den Müllsack.

Ich warf etwas Cortison nach und fiel über den Küchenschrank her. Darüber muss jedoch der gnädige Mantel des Schweigens gebreitet werden, damit man uns nicht nachträglich für die Maul- und Klauenseuche verantwortlich macht. Nur so viel: Gewinner war eine Weight-Watchers-Dose mit Szechuan-Sauce. Das Haltbarkeitsdatum war um 21 Jahre und fünf Monate überschritten. Am Ende waren drei Müllsäcke gefüllt. Großartig, fand Áine und hoffte, dass bei mir eine Cortison-Langzeittherapie notwendig sei, doch die Ärztin setzte das Medikament vorige Woche ab. Seitdem ist meine Hyperaktivität wie weggeblasen. Der Kühlschrank riecht schon wieder komisch.

Barbara Ellen hingegen ist reformiert. Weil sie ihre Wohnung verkaufen wollte und ständig potenzielle Käufer zur Besichtigung kamen, musste sie die Räume sauber halten. Schließlich fand sie Gefallen daran, dass ihre Handtücher nicht mehr nach Pizza stanken und sie die Küche betreten konnte, ohne am Fußboden kleben zu bleiben. Wir erwägen nun ebenfalls einen Umzug. Aus hygienischen Gründen.