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Archiv-Artikel

großer zapfenstreich Das Heer hat Angst vor seinem Volk

„50 Jahre entschieden für Frieden“, auch wenn das eine glatte Lüge ist – es hätte schlimmer kommen können. Denn wenigstens im Motto spiegelt sich nicht wider, wie sich die Bundeswehr an ihrem 50. Geburtstag in der Hauptstadt tatsächlich gibt: geschichtsklitternd, autoritär und antidemokratisch.

KOMMENTAR VON FELIX LEE

Obwohl Bundeswehrgegner seit Monaten ihre Demonstration angemeldet haben, verschleppt die Versammlungsbehörde den Auflagenbescheid – anscheinend in unbedingtem Gehorsam der Bundeswehr gegenüber. Erst seit vorgestern steht die Protestroute: kilometerweit vom Festakt entfernt. Zwar hätte eine Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz durchaus Aussicht auf Erfolg – doch der wäre erst im Nachhinein zu erreichen. Dann hat auch der letzte Soldat seine Fackel längst ausgeblasen.

Stattdessen laufen die Vorbereitungen der Sicherheitskräfte auf Hochtouren. Eine mehrere Quadratkilometer große Sperrzone wird für den dreistündigen Festakt errichtet. Der S-Bahn droht eine Pause. Touristen sind unerwünscht. Nicht einmal Fahrradfahrer dürfen ab den Mittagsstunden noch durchs Regierungsviertel strampeln.

Seit 1998 werden Zeremonien der Bundeswehr nur noch in militärisch abgesicherten, so genannten Sondernutzungsarealen durchgeführt. Das ist mit Sicherheit eine Reaktion auf den Protest der vergangenen Jahre gegen die Gelöbnisfeiern am Bendler-Block. Dabei ist der Protest durchaus berechtigt. Knüpfen doch Gelöbnisse wie Zapfenstreich an die längst überholten Traditionen der Kaiserzeit an.

Bei den heutigen Feierlichkeiten ist den Sicherheitskräften jedoch jegliches Maß an Einschätzungsvermögen abhanden gekommen. Mehrere hundert Feldjäger und dreimal so viele Polizisten riegeln Berlins Mitte ab. Sie bringen sich in Stellung, als handle es sich bei den Bundeswehrgegnern um potenzielle Selbstmordattentäter aus Tschetschenien.

Wenn sich die Bundeswehr schon mit Fackeln und Gewehren „öffentlich“ in einer Weise feiert, die bei vielen gar finstere Assoziationen an das NS-Reich erweckt, dann sollten die Militärs sich der Kritik wenigstens in allen Teilen der Öffentlichkeit stellen. Auch wenn die Bundeswehr an ein Ritual mit antidemokratischem Antlitz anknüpft – es steht ihr nicht zu, in der anscheinend gewohnten autoritären Manier zu entscheiden, wer erwünscht ist und wer nicht. Ausgewählte Gäste und ein paar Fernsehkameras in einem weiträumig abgesperrten Sondernutzungsbereich bilden keine Öffentlichkeit. Wer so plump sich und den Griff zur Waffe feiert, muss den kritischen Blick und das eine oder andere Pfeifkonzert auch aushalten können – und zwar nicht nur in Hör-, sondern in Sichtweite.

Der emeritierte FU-Politologe Wolf-Dieter Narr hat klare Worte für das Tschingderassabum am Reichstag gefunden: „Die Zeremonie ist eine politische Schweinerei.“ Es fällt nicht schwer, ihm dabei zuzustimmen.

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