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Archiv-Artikel

gottschalk sagt Lichtgestalt ist ein Naziwort

Am Samstag Vormittag standen sie zu fünft vor meiner Tür: Christen. Natürlich hatte ich in dem Moment alle für solche Fälle vorbereiteten Sprüche (“Ich bin schwuler Kommunist“, „Ich bin Moslem. Weichet Ungläubige!“) vergessen, dennoch gelang es mir, das Gespräch recht schnell zu beenden. In Zeiten, in denen man häufig von Call-Centern belästigt wird, bekommt man eine gewisse Übung darin, unhöflich zu sein.

Ich dachte eigentlich, im fünften Stock ohne Aufzug wäre man vor Bekehrung sicher, wir brauchen nicht mal an Sankt Martin Bonbons zu kaufen, weil den Kindern der Weg zu anstrengend ist. Wer hier vor der Tür steht, will entweder meine Seele oder mein Geld. Eins davon behalte ich lieber, und das andere habe ich nicht. Raten sie mal, wie ich das meine (und stellen Sie sich bitte hier ein diabolisches Lachen vor).

Wie Sie wissen, bleibt man Jung-Autor, bis man 49 Jahre alt ist, danach wird man automatisch Publizist. Aber auch als Jung-Autor darf man Sachen sagen wie: „Schon vor vierzehn Jahren habe ich mich eingehend zu diesem Thema geäußert...“ Ich habe nämlich schon 1992 geschrieben: „Ein bis zweimal im Jahr wird die Befürchtung laut, die Deutschen stürben aus, doch ich bin zu alt, um daraus Hoffnung schöpfen zu können“. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht ein Zitat von Leon de Winter: „Es gibt nur zweierlei, das die Menschheit zusammen bringt: Fußball und Rassenschande“.

Mein Interesse an Fußball ist ohnehin schon gering (hier stellen Sie sich bitte so ein verklemmtes Glucksen vor), aber ich befürchte, bis zur Weltmeisterschaft wird es völlig erloschen sein. Ich meine, ich bin der, der „Titanic“ nicht gesehen hat, weil ihm damals die PR-Maschine auf die Nerven ging. Wie man aus Kennerkreisen hört, gehen die Typen aus der Nutella-Werbung vermutlich auch unter, hoffentlich ohne „My heart will go on“ zu singen. Die mediale Omnipräsenz der WM nervt, was vorauszusehen war, und der Typ mit der Designerbrille nervt natürlich mächtig, während er täglich beweist, das man keine Leuchte sein muss, um hierzulande zur Lichtgestalt werden (eh so ein Nazi-Wort). Die Brille ist übrigens von „Vidi Vici“, und wie wir Lateiner wissen, heißt das „sah, siegte“. Netter Name. Einmal das Modell „Blitzkrieg“, bitte. Edmund Stoiber und Don Johnson haben auch so eine. Die Brille der Sieger.

Und weil laut Vertrag in jeder meiner Kolumnen Nordrhein-Westfalen erwähnt werden muss, möchte ich allen Schülern und Lehrern im Land schöne Osterferien wünschen. Bitte seien Sie nett zu Ihrem Stauberater. CHRISTIAN GOTTSCHALK

Christian Gottschalk lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz