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Archiv-Artikel

globalisierungskritik weltweit Serie zum Weltsozialforum in Porto Alegre

In Russland dominiert Karl Marx

„Das Interesse des Geheimdienstes an unserer Bewegung wächst und wächst“, schmunzelt Andrei Demidow. „Demnach sind wir bereits eine gefährliche Kraft.“ Die Aufmerksamkeit des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erklärt sich der linke Aktivist damit, dass russische Politiker immer nach Westen schielen, „egal welcher Couleur sie sind“. Im Westen seien die „Antiglobalisten“ schließlich bereits heute ein ernstzunehmender Faktor.

An linken Bewegungen und Splittergrüppchen herrschte seit dem Ende des Kommunismus Anfang der 90er-Jahre in Russland kein Mangel. Den Sprung in die internationale Szene schafften die russischen Globalisierungskritiker 2001, als eine Delegation zum G-8-Gipfel nach Genua reiste. Seither läuft auch die Vernetzung der Initiativen innerhalb Russlands besser.

Zwei lockere Aktionsgemeinschaften vereinen das Spektrum der globalisierungskritischen Gruppierungen. Mit französischer Hilfe wurde zunächst ein russischer Ableger von Attac in Moskau hochgezogen. Im letzten Jahr schlossen sich eine Reihe von Initiativen, Umweltgruppen, Anarchisten und alternativen Gewerkschaften überdies zum losen Verbundnetz „mir ne towar“ zusammen. Auf deutsch: „Die Welt ist keine Ware“. Im Unterschied zu Attac seien deren Mitglieder aktiver, meint einer ihrer theoretischen Köpfe, Alexander Busgalin.

Der Wirtschaftsprofessor gibt sich keinen Wachstumsillusionen hin: Die Bewegung entstehe gerade erst und anders als im Westen fehle die Rekrutierungsbasis einer breiten sozialen Bewegung. Gerade deswegen sind die Globalisierungskritiker stolz, dass einige alternative Gewerkschaften bei ihnen mitwirken, die erfolgreich Arbeitskämpfe durchgeführt haben. Eine der ältesten Arbeiterorganisationen ist auch mit dabei: die „Sibirische Arbeitskonföderation“.

Trotz wachsender Interdependenz ist Russland von internationalen Prozessen noch weitgehend isoliert. Nicht zuletzt wirkt sich auch der ökonomische und soziale Aufholbedarf auf Struktur und Stärke der Initiativen aus. In 50 der 89 Regionen des Riesenreiches gibt es immerhin schon Ableger des Bündnisses. Die zählen mal drei, mal 50 Mitglieder. Zu ihren Themen gehören: die Annullierung des Arbeitsgesetzbuches, das den Kritikern zu arbeitgeberfreundlich ist, die Verhinderung der Reformen im Kommunalwesen, denn diese würden zu höheren Mietnebenkosten führen.

Noch wird die Bewegung vornehmlich von der linken Intelligenz geprägt, deren theoretische Heimat der Marxismus ist. Busgalin nennt es „Neomarxismus“ in Abgrenzung zum parteikommunistischen Katechismus der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.

Die klassisch linke Position unterstreichen Busgalins Mitstreiter schon in der Namensgebung ihrer Gruppe, den „Alterglobalisten“. Sie sind nicht gegen Globalisierung schlechthin, im Gegenteil. Wie etwa ihre deutschen Pendants auch, beziehen sie sich auf die neoliberal Globalisierung. Als klassische Internationalisten wollen die russischen Globalisierungskritiker so etwas wie „Emanzipation im globalen Maßstab“. Damit grenzen sie sich bewusst von der nach wie vor einflussreichen Kommunistischen Partei Russlands (KPRF) und anderen nationalistischen und chauvinistischen Organisationen ab, die Antiglobalismus mit Isolationismus übersetzen. Dahinter verbergen sich Kräfte, die sich aus dem Ressentiment fehlgeschlagener Modernisierung speisen. KLAUS-HELGE DONATH

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