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Archiv-Artikel

globalisierungskritik weltweit Serie zum Weltsozialforum in Porto Alegre, Teil 6

In den USA kam die Bewegung kurz, aber heftig

Als vor fast anderthalb Jahren die Türme des World Trade Center in New York fielen, da schien das wie der Todesstoß für die erst junge Antiglobalisierungsbewegung in den USA. Nach dem Diktum von Präsident George Bush, dass jeder, der nicht für die USA sei, für die Terroristen sei, waren regierungskritische Demonstrationen auf einmal undenkbar. Vor allem wenn sie auf einen Kampf mit der Polizei, den „Helden des 11. September“, hinausgelaufen wären.

 Seither ist die Bewegung in der Defensive, und zwar nicht nur wegen des überschwappenden Patriotismus in den USA, sondern auch weil die Bush-Regierung, die Gunst der Stunde nutzend, auf breiter Front zum Angriff blies – gegen Datenschutz und persönliche Freiheit im Rahmen der Terrorbekämpfung, gegen Umweltschutz und gegen Arbeitsschutz. Und natürlich bindet der Krieg erst gegen Afghanistan und nun vielleicht gegen den Irak die Kapazitäten der Aktivisten.

 Während bei der letzten Herbsttagung von IWF und Weltbank im September etwa 5.000 bis 10.000 Demonstranten mit ihrem Vorhaben scheiterten, die Washingtoner Innenstadt dichtzumachen, kamen zur Antikriegsdemo am Samstag schätzungsweise 200.000 in die Hauptstadt. „Wie für alle in diesem Land hat der 11. September für uns alles verändert“, sagt Stephen Kretzmann von Mobilization for Global Justice. „Die Geduld der Politiker, der Gerichte und der Öffentlichkeit ist viel geringer als zuvor.“ Und sein Kollege David Levy meint: „Versammlungen und freie Rede gelten heute schon als subversiv.“

 Mehrere Politiker und Medienvertreter schreckten nicht davor zurück, die Globalisierungsgegner in die Nähe der Terroristen zu rücken – beide seien schließlich durch ihren Hass auf die USA vereint.

 Die Gewerkschaften, die zur Großdemo in Washington gegen IWF und Weltbank im September 2001 schon mobilisiert hatten, schwenkten damals sofort all ihre Kräfte auf die Rettungsbemühungen in New York um – und schweigen seither über das Thema Globalisierung (Ausnahme: www.corpwatch.org). Dabei war es vor allem der Schulterschluss zwischen alten Anti-Vietnamkrieg-Kämpen und linken Studenten auf der einen und der traditionellen Gewerkschaftsbewegung auf der anderen Seite gewesen, der den Protest gegen die WTO in Seattle 1999 so gewaltig werden ließ.

 Das Leben der Antiglobalisierungsbewegung der USA scheint also heftig, aber kurz gewesen zu sein. Doch halt – kommen da nicht vom Handelsbeauftragten der US-Regierung, Robert Zoellnick, immer wieder Töne, dass arbeitsrechtliche und umweltpolitische Aspekte in die internationalen Handelsbeziehungen integriert werden müssten? Und ausgerechnet die USA setzten sich bei der WTO dafür ein, dass die ärmsten Länder vergünstigten Zugang zu Medikamenten erhalten. Die Zeit der Großdemos mag bis auf weiteres vorbei sein – der Einfluss der Globalisierungskritiker in Washington ist es nicht.

NICOLA LIEBERT

Morgen: Hakeem Jimo aus Ghana