fußpflege unter der grasnarbe : FC Porto, es tut mir Leid!
Die Beichte kommt spät, aber sie kommt. Wer zu viel Wahrheit nicht aushält, bitte nicht weiterlesen. Achtung: Ich habe vor acht Jahren im Stadion des FC Porto ein Sitzkissen geklaut. Bis gestern hatte ich das niemandem erzählt, und vermutlich interessiert sich auch heute noch niemand außer mir dafür. Aber ich muss das klären, schon damit es in einem späteren Leben nicht auf mich zurückkommt. Es war der 14. September 1996. Es war die Zeit, als Deutschland gerade Europameister geworden und Rio Reiser gestorben war. Ich hatte viel Zeit damals, ich war Student. In einem rostigen VW-Bus, Baujahr 73, rollte ich für einige Monate ziellos durch Europa – bis nach Porto.
Haltet den Sitzkissendieb
Es war wohl der Ärger darüber, dass der FC Porto an diesem Tag ein Auswärtsspiel hatte, ich aber gerne eine Partie gesehen hätte. Es liefen leider nur die Rasensprenger. Leere Ränge. Außer mir waren noch einige Arbeiter im Stadion. Ich sah also den Stapel Sitzkissen, zögerte kurz, klemmte mir dann aber eines der dunkelblauen Vierecke unter den Arm und verließ unauffällig die Arena. Ich weiß noch, dass die Arbeiter sich etwas zuriefen. Vermutlich so was wie: „Antonio, guck mal! Da klaut schon wieder so ein Blödmann ein altes Sitzkissen!“ Zugegeben, das Kissen war nicht sonderlich schön. An zwei Ecken quoll der Schaumstoff heraus. Immerhin warb ein städtisches Café darauf für seinen ausgezeichneten Kaffee.
Gepolsterte Heimat
Womöglich war das der Grund, warum ich es ein Jahr später einem portugiesischen Café-Besitzer im Schulterblatt schenkte, wo es sicher noch heute an der Wand hängt. Vielleicht nimmt es dann und wann mal jemand ab, um es von Staub und Nikotin zu befreien. Oder um beim FC St. Pauli am Millerntor darauf Platz zu nehmen, wo viele der Sitzschalen allenfalls Fakiren zu empfehlen sind. Keine Ahnung, wie ich darauf kam, dass es ihm gefallen könnte, ein löchriges Kissen zu haben, auf dem bereits hunderte Hintern gesessen hatten. Möglicherweise kommt er aus Porto, dachte ich, und dann ist es doch schön, ein Stück gepolsterte Heimat zu besitzen.
Schaumstofftrophäe
Nun ja, bis letzte Woche hatte ich das Sitzkissen erfolgreich verdrängt. Als der FC Porto aber überraschend die Champions League gewann, erschlich mich ein etwas schlechtes Gewissen. Nun hoffe ich, dass die Oberen des FC Porto großzügig abwinken werden, wenn sie das hier lesen. Obwohl ich mittlerweile glaube, dass der Verein die Kissen absichtlich herumliegen ließ, um sie gezielt von Touristen entsorgen zu lassen, damit sie in aller Welt als Trophäe gezeigt werden. „Das ist ein Original-Sitzkissen vom FC Porto!“ - „Ist nicht wahr! Lass mal sehen!“
Sounds like Kissendepression
Porto jedenfalls ist eine schöne Stadt. Eine Fußballstadt, wo das Rauschen der Wellen wie Torjubel klingt. Eine Stadt, mit der ich seit dem 14. September 1996 aber vor allem dunkelblaue Vierecke verbinde. Wie der Torjubel im Stadion des FC Porto klingt, weiß ich bis heute nicht.