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Archiv-Artikel

friedensdemos Schweigende Mehrheit

Die Ortsnamen sagen schon alles. Ausgerechnet die Städte Rostock und Tübingen hat sich die deutsche Friedensbewegung ausgesucht, um ihren Protest gegen einen möglichen Irakkrieg auf die Straße zu tragen. Fünftausend Demonstranten in der entlegenen Hansestadt, rund eintausend im schwäbischen Uni-Städtchen: Solche Zahlen beeindrucken niemanden, und auf den breiten Straßen der Metropolen hätten solche Kundgebungen noch hilfloser gewirkt.

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Dass nach Umfragen rund 80 Prozent der Deutschen den amerikanischen Kriegskurs ablehnen, steht dazu nur scheinbar im Widerspruch. Denn für die Friedensdemonstranten liegt genau darin das Dilemma: Wen wollen sie mit ihren Aktionen eigentlich noch überzeugen, wenn man die Befürworter eines Militärschlags schon mit der Lupe suchen muss? Noch dazu, wenn der Verteidigungsminister erklärt, ein deutsches Ja zu einem solchen Krieg sei „nicht mehr vorstellbar“ – und wenn sich die grüne Regierungspartei an den bundesweiten Demos beteiligt, die für den 15. Februar geplant sind.

Den US-Präsidenten, gegen dessen Politik sich die Proteste richten müssten, beeindrucken Demonstrationen jenseits des Atlantiks ohnehin nicht. Schließlich ist das Verhalten der europäischen Regierungschefs schon Demonstration genug. Was knapp zwei Jahre vor den amerikanischen Wahlen zählt, ist das innenpolitische Meinungsklima in den USA selbst. Mit entsprechender Euphorie berichten die europäischen Medien deshalb über die Demonstrationen in Washington, San Francisco und andernorts, die am Wochenende landesweit 100.000 Menschen auf die Beine brachten.

Doch diese Euphorie ist, zurzeit jedenfalls, übertrieben. Die Stimmen, die einen Krieg rundheraus ablehnen, sind in den USA noch immer entschieden in der Minderheit. Gerade deshalb fällt es den dortigen Friedensaktivisten ja so leicht, in einer einzigen Stadt zehntausende von Demonstranten aufzubieten: Die alten Mechanismen des Protests funktionieren prächtig, solange sich die Kriegsgegner in der gewohnten Rolle einer machtlosen Opposition befinden.

In Deutschland müssen die altgedienten Aktivisten der Friedensbewegung erst einmal die Erkenntnis verdauen, dass sie sich nicht mehr als elitäre Avantgarde inszenieren können. Nur wenn die Bundesregierung ihr Wahlversprechen bräche und einem Irakkrieg zustimmte, würde das vertraute Rollenmuster zurückkehren – und mit ihm die großen Demonstrationen.