fischer im außenamt : Gerechte Sache schlecht vertreten
Mit dem gestrigen Angebot des Deutschen Beamtenbundes, Diplomaten des Auswärtigen Amtes (AA) Rechtsschutz zu gewähren, falls sie in Sachen Nachrufe für Exnazis im Dienst von der Leitung des Amtes gemaßregelt würden, ist die ganze Affäre endgültig im Reich Absurdistan angelangt. Eigentlich geht es um ein weiteres Kapitel „unbewältigte Vergangenheit“. Denn das Auswärtige Amt hat sich als Institution nie seiner Tätergeschichte während der Nazizeit gestellt, geschweige denn öffentlich Rechenschaft darüber gegeben, wie viele Diplomaten mit Nazivergangenheit nach 1949 das neu errichtete Amt bevölkerten.
KOMMENTARVON CHRISTIAN SEMLER
Unabhängige Untersuchungen zum Thema unterblieben auch nach dem Amtsantritt der rot-grünen Koalition. Deren Publikation hätte den beschönigenden, die braune Vergangenheit zukleisternden Nachrufschreibern den Mund gestopft.
Stattdessen ein bürokratisches Vor, Zurück und wieder halb Vor der Leitung des Ministeriums, was Nachrufe in der AA-Hauspostille anlangt. Joschka Fischer hat es tatsächlich geschafft, den gegen ihn intrigierenden Schranzen des AA nicht nur zur Rolle humaner, um sensible Behandlung der Nazi-Einzelfälle bemühter Kollegen zu verhelfen. Jetzt dürfen sie sich auch noch als potenzielle Opfer von Ministerwillkür fühlen. Denn die Drohungen des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, sein Wedeln mit den Treue- und Dienstpflichten des Beamtenrechts sind gewiss nicht ohne Billigung Fischers erfolgt. Damit hat sich der Außenminister auf ein Terrain begeben, wo er in der demokratisch orientierten Öffentlichkeit nur verlieren kann.
Nicht der nach wie vor wuchernde Corpsgeist im Auswärtigen Amt, nicht die Methoden der Eliterekrutierung, nicht der interne Konformitätsdruck, nicht die Kritik an einer vorgeblich übergeordneten Staatsräson, der das AA stets gefolgt sei, stehen also jetzt im Zentrum der Auseinandersetzung, sondern die Meinungsfreiheit seiner Beamten. Und hier walten klare grundrechtliche Verhältnisse zugunsten derer, die öffentliche Kritik am Dienstherrn üben. Der Beamtenstatus ragt aus vordemokratischen, obrigkeitsstaatlichen Zeiten zu uns herüber. Solange er noch besteht, müssen die Pflichten, die aus ihm resultieren, im Licht des Grundgesetzes interpretiert werden. Und nicht im Lichte Fischers, der eine gerechte Sache an die Wand gefahren hat.
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