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Archiv-Artikel

euro-grüne Inszenierte Harmonie

Nun haben also auch die Grünen ihre europäische Partei. Auch? Immer wieder wiesen sie auf ihrem Gründungskongress in Rom diese Behauptung zurück. Die Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialistische Partei Europas (SPE) seien, recht besehen, Etikettenschwindel – und die Grünen nicht etwa die letzte, sondern die erste Europapartei.

KOMMENTAR VON MICHAEL BRAUN

Denn anders als den Konkurrenzvereinen, die sich als lose Klammer rein national agierender und von tiefen Differenzen getrennter Parteien mit den zueinander widersprüchlichsten Positionen präsentierten, sei den Grünen eine „richtige“, „echte“ und dazu noch „paneuropäische“ Partei gelungen, in der sogar Russen und Ukrainer mittun. Die Grünen seien also als Einzige gerüstet, in dem „autonomen politischen Raum Europa“ zu agieren, anstatt den Europawahlkampf für nationale Auseinandersetzungen zu missbrauchen.

Ein hehrer Anspruch. Wenigstens in Ansätzen haben die Grünen ihn auch eingelöst. Nur sie haben ein Wahlprogramm zu bieten, mit dem sie in Finnland genauso antreten wie in Portugal oder in Ungarn. Nur sie werden eine koordinierte Kampagne durchführen. Die Behauptung aber, es gebe jetzt bloß noch nationale „Sektionen“ der Europäischen Grünen Partei – sie ist wohl doch leicht übertrieben.

Denn schon zu dem „autonomen politischen Raum“ Europa haben die Grünen keine einheitliche Position. Dass dieser Raum demokratisch sein soll, ökosozial, friedlich – schön und gut und konsensfähig. Aber ob diese Versprechen durch wachsende Integration der EU nun befördert oder blockiert werden: Diese Frage wurde in Rom gar nicht erst debattiert. Ausgespart blieb auch das heikle Problem, wie man es denn mit einer europäischen Sicherheitspolitik halten will. Das eisige Schweigen, das Fischer bei seinen Ausführungen zur Notwendigkeit globaler Terrorbekämpfung entgegenschlug, gab beredt Auskunft über das Konfliktpotenzial dieser Frage.

Nicht ihre Einheit demonstrierten so die Grünen – wohl aber ihren Willen zur Einheit. Und die Inszenierung grüner Harmonie ist ihnen so gut gelungen, dass im Vergleich selbst ein CDU-Parteitag als undiszipliniertes Chaostreffen erscheint. Die Parteigründung mag vollzogen sein, „echte“ Partei aber werden die Grünen Europas dann erst sein, wenn sie auch zeigen, dass sie auch auf echten Kongressen belastbar sind – mit Streit und Zank und offen ausgefochtenen Entscheidungen.

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