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Archiv-Artikel

elektrisches picknick mit hindernissen von RALF SOTSCHECK

Die Nachricht kam überraschend. Barrys Freundin Emma eröffnete ihm vorvergangene Woche, dass sie schwanger sei, was bei Barry umgehend einen Beschützerinstinkt weckte. Am Wochenende wollten beide eigentlich zum „Electric Picnic“ nach Stradbally, einer Kleinstadt in den irischen Midlands. Immerhin sollten bei dem dreitägigen Musikfestival Josh Ritter, die Basement Jaxx, The Frames, die Gang of Four und Altmeister Rufus Wainwright auftreten. Insgesamt waren über hundert Bands und Musiker angekündigt. Die Tickets waren daher nicht billig: 175 Euro für das Wochenende.

Emmas neuer Zustand änderte natürlich einiges. Eine Schwangere, selbst wenn sie erst wenige Wochen schwanger war, benötigte auch auf einem Rockfestival minimalen Komfort, fand Barry. Also kaufte er ein anständiges Doppelwandzelt, zwei bequeme Luftmatratzen und fuhr am Freitagmorgen nach Stradbally, um alles vorzubereiten. Emma sollte am Abend nachkommen.

Als Barry Stradbally erreicht hatte, stellte er entsetzt fest, dass er zwar einen Kasten Bier und eine Flasche Whiskey eingepackt, das Zelt und die Luftmatratzen jedoch vergessen hatte. Die schwangere Freundin würde nicht amüsiert sein, das war ihm schnell klar. Und sie war bereits unterwegs. Barry telefonierte hektisch mit allen möglichen Verwandten und Bekannten, um irgendwo ein Ersatzzelt aufzutreiben. Endlich wurde er fündig: Er solle an einer bestimmten Stelle auf dem Campingplatz warten, befahl der Vetter, man werde ihm ein Zelt bringen.

Die Stunden vergingen, der Bierkasten wies bereits erhebliche Lücken auf, als das Zelt endlich geliefert wurde: Es war ein recht trauriges Exemplar, von Luxus für eine Schwangere, wie Barry versprochen hatte, konnte keine Rede sein. Emma bekam umgehend schlechte Laune, als sie den angetrunkenen Barry und das windschiefe Zelt sah. Sie beschloss, am nächsten Morgen wieder zurück nach Dublin zu fahren.

Das erwies sich als nicht so einfach. Sie konnte ihr Auto nicht finden. Voriges Jahr waren nur 7.000 Menschen zum Festival gekommen, dieses Jahr waren es 35.000. Damit waren die Veranstalter hoffnungslos überfordert. Zwar hatten sie in Windeseile sieben Felder als Parkplätze gemietet, aber die Markierungen von Feld A bis Feld G waren von den Bäumen herabgefallen, sodass Emma keine Ahnung hatte, wo ihr Auto abgeblieben war. Und die Ordner kamen aus Schottland. Sie wussten selbst nicht so genau, wo sie waren.

Am Abend gaben Barry und Emma auf. Sie würden das Auto am nächsten Morgen als gestohlen melden müssen. Auf dem Weg zur Polizei trafen sie jedoch am Rande des Festivalplatzes einen einheimischen Bauern, der als Hilfsordner eingestellt worden war. Wann genau sie denn angekommen sei, wollte er von Emma wissen. Am Freitag um 18.45 Uhr? Dann stehe der Wagen auf Feld E, und zwar in der dritten Reihe. Nach zwei Minuten hatten sie das Auto gefunden. Emma fuhr wütend ab. Barry, der bis dahin noch keine einzige Band auf der Bühne erlebt hatte, hörte sich die Pet Shop Boys an, bevor er nach Hause fuhr – 175 Euro für eine Band, die ihn unter den hundert aufgelisteten am wenigsten interessierte.