eject : SILKE BURMESTER über Hanni und Nanni, Udai und Kusai
Schade, dass sie keine Zwillinge waren
Kennen Sie Josef Abdulla? Nein? Doch. Sie kennen ihn. Sie kennen ihn unter dem zum Schlagwort verkommenen Begriff „der kleine Josef“. Josef Abdulla kam 1997 in einem Schwimmbad in Sebnitz zu Tode. Zur besseren medialen Empörung über die Behauptung, er sei von Neonazis zu Tode traktiert worden, wurde aus dem 6-Jährigen „der kleine Josef“ und alle Presseorgane machten mit.
Nicht über morphogenetische Felder, sondern über die Medienmaschinerie verbreitete sich am Dienstag die Kunde, Udai und Kusai seien tot. Udai und Kusai? Lolek und Bolek? Hanni und Nanni? Wie tragisch, wollte man denken. Zwei Menschen, so nah, dass wir sie beim Vornamen nennen. Kumpels unseres täglichen Lebens. Keine überflüssige Hemmschwelle eines Familiennamens, keine störende Etikette. Volksnah, wie Marianne und Michael, Cindy und Bert. Tatsächlich aber wurde die Mitteilung dann doch noch durch die Information ergänzt, es handele sich um die Söhne Saddam Husseins. Nun wurde auch klar, wer die toten Buben sind. Böse Menschen, Verbrecher, die Leid und Elend über tausende von Menschen brachten. Die folterten und vergewaltigten, erpressten und töteten. Doch es blieb dabei. Am Abend, an den darauf folgenden Tagen. Im Fernsehen wie in den Zeitungen: von Udai und Kusai war die Rede, so wie nur zwei Wochen zuvor von Ladan und Laleh, den siamesischen Zwillingen. Man blieb bei der kumpelhaften Vornamensnennung der bösen zwei, im Zusammenhang mit den Wörtern „Brüder“ und „Söhne“. Und da diese Begriffe im Kontext mit Tod doch etwas anrührend sind, bedarf es großer medialer Penetranz, um zu erreichen, dass ihre Namen so unabänderlich mit den Gräueln des Hussein-Regimes in Verbindung stehen, dass sich bei ihrer bloßen Nennung ein ganzer Film von Schreckenstaten abspielt.
Dabei kann die Vornamensnennung durchaus in eine andere Richtung gehen und wunderbare Blüten treiben. Etwa wenn TV-Nachrichtenmoderator und Korrespondent sich zwar siezen, aber dennoch schmierig beim Vornamen anreden. Anders als in den Kaufhäusern, in denen die Verkäuferinnen durch die Halle brüllen: „Du, Frau Saumann, ich bin mal auf 17!“, gibt es im Fernsehen ein: „Oliver, können Sie etwas erkennen?“, „Danke, Christina, ja, zurzeit …“ – Liebhabern solcher Szenen sei das ZDF-heute-journal empfohlen, wo der Übergabe an Gundula Gause immer auch ein Versprechen zum Koitus anhaftet.
Was von den Medien unreflektiert verbreitet wird, dürfte George Bushs Vorstellung entsprechen, der es von Anfang an vermied, seine Gegner beim vollen Namen zu nennen, und stattdessen von „Schurken“ und „that guy“ sprach: zwei Namen als Synonym des Bösen. Schade, dass sie keine Zwillinge waren. Dann hätte man so schön von den Terror-Twins reden können und es wäre den Medien ein Leichtes gewesen, die Menschen darauf zu konditionieren, beim Erklingen des Begriffs einstürzende Twin-Towers vor Augen zu haben.