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Archiv-Artikel

eingespritzt Sie wollen es beweisen

In Budapest purzeln reihenweise Schwimmweltrekorde. Der Gedanke an Doping liegt nahe – Sportler und Funktionäre wissen das und versuchen zu reagieren

Was ist bloß los in Budapest? Deutsche Schwimmerinnen holen Weltrekord um Weltrekord bei der Europameisterschaft in Budapest. Einen davon, den in der 4 x 200-Meter-Freistilstaffel, sogar bei strömendem Regen. Wer sich schon einmal Gedanken über Doping gemacht hat, wird sich eher wundern denn freuen über die Wiederauferstehung des deutschen Schwimmsports.

Der genoss schon einmal Weltruhm – zweifelhaften. Die Französin Laure Manaudou hat zu Beginn der Wettkampfwoche in Budapest einen neuen Europarekord über 800 Meter Freistil aufgestellt. Die alte Bestzeit war 19 Jahre alt und wurde von Anke Möhring gehalten. Es war der letzte DDR-Individualrekord im Schwimmen.

Die böse DDR verschwindet also aus den Rekordlisten. Nicht wenige werden darüber jubilieren. Und die neuen Rekorde? Soll über die auch jubiliert werden? Übliche Muster der Berichterstattung funktionieren nicht mehr. Statt schwülstiger Gefühlsstories über den steinigen Weg der Athletinnen zum Erfolg erscheinen in etlichen Gazetten nachdenkliche Artikel. Noch am Beckenrand werden Sportler, Trainer und Funktionäre zum Thema Doping befragt. Und das Erstaunliche: Sie versuchen zu antworten.

Es ist sicher kein Zufall, dass Schwimmbundestrainer Örjan Madsen am Tag des 100-Meter-Weltrekords der Kraulerin Britta Steffen seine Pläne für ein Antidopingkonzept vorgestellt hat. Sein „Wir sind clean“ klingt daher anders als die Unschuldsbeteuerungen in Verdacht geratener Radsportler oder Leichtathleten.

Madsen fordert eine Art Dopingpass, den jeder Athlet führen muss, wenn er für den Schwimmverband international an den Start gehen will. Alle Testergebnisse, auch die jeweils aktuellen Blutwerte, sollen darin festgehalten werden. Ähnliches wird auch am runden Tisch des Radsports diskutiert. Profis, die ihre Daten nicht preisgeben, sollen keine Lizenz erhalten – so will es Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer. Der Sport startet wieder einmal einen Versuch zur Selbstreinigung. Die Angst vor dem endgültigen Verlust der Glaubwürdigkeit ist sehr groß derzeit.

Reagiert wird übrigens nicht nur in Deutschland. Das Nationale Olympische Komitee der USA hat dem Leichtathletiktrainer Trevor Graham, der unter anderen den positiv auf Testosteron getesteten Sprintweltrekordler Justin Gatlin betreut hat, untersagt, die Trainingsanlagen des Verbandes zu nutzen. Es scheint sich also etwas zu tun bei der Dopingbekämpfung.

Noch allerdings müssen die Sportlerinnen und Sportler auf das Vertrauen der Fans bauen: Sind die Rekorde von Budapest wirklich sauber? Wir wissen es nicht. ANDREAS RÜTTENAUER