einbruch:
von FANNY MÜLLER
Am Montagabend kamen sie. Um viertel nach sieben. Die Einbrecher. In der Küche mache ich schon relativ früh das Licht aus und halte mich vorne im Wohn- oder im Schlafzimmer auf. Heute war ich früh zu Bett gegangen und las noch irgendwas Einschläferndes. Plötzlich komische Geräusche! Ich raus aus dem Bett, Licht gelöscht und durch die Jalousie gelinst. Meistens stehen dann Jugendliche unter meinem Fenster und machen sich einen Druck. Nicht so heute! Zwei Kerle schwingen sich gerade über den Zaun in unseren Garten. Ich rase im Nachthemd zum Nachbarn oben: „Zwei Männer. Im Garten. Guck mal vom Balkon runter!“ Ich rase wieder zurück, öffne die Wohnungstür und siehe da: Einer der Verbrecher kniet bereits auf meinem Balkon und ist dabei, die Balkontür aufzuhebeln. Wie wahnsinnig sause ich auf ihn zu (immer noch im Nachthemd) und kreische: „Raus hier!“ Das muss ihm den Schock seines Lebens versetzt haben. Darüber mache ich mir aber jetzt weniger Gedanken.
Die Polizei war erst mal nicht besonders hilfreich. Die dachten wohl, ich wolle mich irgendwie interessant machen, aber als ich ihnen sagte, der Nachbar hätte die kriminellen Elemente auch gesehen, wurden sie etwas freundlicher. Die junge Polizistin sagte, sie lebe auch im ersten Stock und hätte rund um den Balkon Stacheldraht gelegt. Du liebe Zeit! Ich möchte doch nicht im Archipel Gulag wohnen! Aber irgendwas muss ich ja wohl machen. Siedendes Öl? – Die Vorschläge meiner Bekannten reichten von „Nägel streuen, die durch Turnschuhe gehen“, über „Kampfhund anschaffen“ bis hin zu einer Kalaschnikow. Wenn ich allerdings mal auf den Balkon gehe und nicht dran denke, habe ich das Zeugs selber in meinen Turnschuhen; einen Kampfhund muss man Gassi führen und wird dann womöglich noch gelyncht, und dass ich holterdiepolter einen Waffenschein kriege, glaube ich auch nicht. Das ist das Gute an Amerika: Wenn man sie in die Wohnung lässt, kann man sie wenigstens gleich erschießen.
Als erstes habe ich den Balkon mit alten Blumentöpfen voll gestellt. Da können die Desperados sich schon mal die Füße brechen. Als nächstes habe ich mir eine Glocke aus dem Indien-Laden gekauft. Von dem Geläute wird man ja selber taub. Dann wurde eine Teleskopstange angebracht (Danke, Eddie!), und der Bewegungsmelder sowie die Zeitschaltuhren sind ebenfalls im Einsatz. Eine Kollegin hat mir noch eine Art Ei, das furchtbaren Krach macht, versprochen, das hole ich heute Abend ab.
Allerdings kommen Verbrecher bei mir nicht so richtig auf ihre Kosten: Meine Anlage ist über zehn Jahre alt und noch mit einem Plattenspieler (!) versehen, Fernseher habe ich weggeschmissen, den Computer habe ich vor vier Jahren erworben, der war also praktisch schon am Nachmittag des Tages, als ich ihn kaufte, hoffnungslos veraltet. Das einzige, was sich überhaupt lohnt, ist mein Notebook. Das kann ich bei der Hausratversicherung aber auf gar keinen Fall angeben, weil es, na ja Gott, wie das im Leben manchmal so zugeht, in Amsterdam versehentlich von einem Laster gefallen ist . . .
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