ein auftrag für freund birnbaum von JAN ULLRICH :
Mein Freund Birnbaum und ich arbeiten im „Ministerium für Aufgaben und Angelegenheiten“ und heute bekommen wir einen Auftrag. „Die Anlage Gurgelmeier muss sofort raus“, mahnt Oberamtsrat Bruch. Aber da ist nichts zu machen. „Wir erwarten einen Auftrag“, sagt Freund Birnbaum ernst und guckt ein bisschen aus dem Fenster. „Sie müssen später wiederkommen.“
Als Oberamtsrat Bruch wieder weg ist, stellen wir unsere Schreibtischstühle auf den Kopf und drehen ganz schnell an den Rollen unter den Stuhlbeinen. „Na, na, na“, singen wir dabei. Für einen Moment klingt es, als ob wir gemeinsam eine Melodie anstimmen. Aber, das scheint nur so. „Kaffee?“, fragt Kollegin Vogelscheuch, die plötzlich in der Tür steht. „Geht nicht“, antworte ich. „Auftrag!“ – „Wir warten schon die ganze Zeit“, ergänzt Birnbaum, „kann man nichts machen.“ – „Auch keine Pause?“ – „Auf keinen Fall!“, erläutern wir. „Auftrag ist Auftrag!“
Dann legen wir drei uns auf den Fußboden und spielen „sich lang machen“ und „sich kurz machen“. „Das kostet alles Zeit!“, rügt Oberamtsrat Bruch, der gerade noch einmal vorbeikommt und immer noch die Anlage Gurgelmeier unter dem Arm trägt. „Stimmt“, bestätigen wir ihn, „unnötig viel Zeit!“ Dann machen wir weiter.
„Ab jetzt“, rufe ich, nachdem wir zu Ende gelegen haben, „Wörter erfinden, die mit ‚Erd‘ anfangen und mit ‚beere‘ aufhören.“ – „Erdschaumbeere“, schlägt Freund Birnbaum vor. „Erdsaumbeere!“, erwidere ich. „Erdtraumbeere!“, ruft Kollegin Vogelscheuch. „Erdraumzeitkontinuumbeere“, triumphiere ich. „Erdbeerbeere“, endet Birnbaum. Dann verlässt uns Kollegin Vogelscheuch.
„Und was nun?“, frage ich. „Die höchste Oberklasse der Bewegung ist das Vibrieren“, meint Freund Birnbaum. Anschließend sitzen wir vollkommen regungslos in einer Ecke. „Man kann nichts nicht machen“, dringt Kassenprüfer Lehmann plötzlich in unsere Stille. „Irgendwas ist immer: Eine Tür geht auf, ein Pferd läuft gegen die Wand, ein Haus brennt.“ – „Ich möchte wissen, wer ich in diesem Moment werde“, sagt Birnbaum, während wir still in der Ecke sitzen. „Der Mensch entsteht da neu, wo er in seinen Trümmern lebt“, erwidert Lehmann. Dann geht er hinaus, wobei er erst gegen die Tür läuft, dann einen Stehordner umstößt und schließlich in den Papierkorb tritt.
„Das Wichtigste im Leben ist, man hat zu tun“, behauptet Birnbaum. „Ich könnte Teekannen sammeln, ein Käsebrot einfrieren oder Tretboote verleihen“, bestätige ich ihn. „Ich schätze Justus Borkmann“, bekennt Freund Birnbaum. „Er hat eine großartige Entdeckung gemacht, obwohl ich nie richtig begriffen habe, wozu sie eigentlich gut sein soll.“ Borkmann wollte Pferde mit offenen Türen vor brennenden Häusern schützen. „Ich möchte, dass die Welt nicht schlechter wird durch mich“, überlege ich, „und wenn sie durch mich schlechter wird, dann möchte ich, dass ich das nicht merke.“
„So geht es aber nicht“, droht Oberamtsrat Bruch, als er uns am Abend immer noch auf dem Fußboden sitzen sieht. „Wenn es nichts bringt, kann man es gleich lassen.“ Dann steckt er die Anlage Gurgelmeier in einen Umschlag mit der Aufschrift „Eilt!“.