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Archiv-Artikel

ehrliche diebe etc. Hallo Scheißkerl, gut, dass du wieder da bist

Solche Mitbringsel bekommt die Redaktion nicht jeden Tag: das lebensgroße, aus Kunststoff gesägte Bildnis eines Mannes, der sich mit heruntergelassenen Hosen und hockenderweise hinter einem Mülleimer Erleichterung verschafft. Der Überbringer des in Packpapier eingeschlagenen Objekts, ein freundlicher junger Mann, hatte es recht eilig und wollte sich nicht einmal zu einem Kaffee überreden lassen. Aber der Reihe nach.

Treue LeserInnen der Kolumne „Was macht eigentlich …?“ werden sich erinnern: Mitte vergangener Woche war die Kunststoff-Silhouette aus einem am Potsdamer Platz installierten Ensemble von 35 stilisierten Männern und Frauen entwendet worden, mit denen die „German Toilet Organization“ (GTO) auf die gravierende Unterversorgung der Welt mit Toiletten aufmerksam macht. „2.600.000.000 people toiletless“, steht auf den Tafeln – „Sanitation is dignity“.

Weil auch tazler ungestörtes und komfortables Defäkieren zu schätzen wissen und weil die GTO ihre Wanderausstellung mit dem Titel „Where would you hide?“ auch andernorts präsentieren möchte, forderten wir Dieb bzw. Diebin auf, die Beute abzuliefern – unter Zusicherung von Anonymität, mit der taz als neutralem Übergabeort. GTO-Chef Thilo Panzerbieter hatte bereits angekündigt, auf eine Anzeige zu verzichten.

Der Appell zeitigte rasche Wirkung: „Ich melde mich, da ich gestern den Artikel mit der Überschrift ‚Was macht eigentlich die GTO? – den Scheißkerl suchen‘ in der taz gelesen habe“, las Panzerbieter in einer Mail: „Ich bin der gesuchte ‚Scheißkerl‘.“ Ein Student der Elektrotechnik, so stellte sich heraus, hatte die Aufsteller entdeckt („ich war sofort hellauf begeistert“) und sich über den Hintergrund der Kampagne im Internet informiert. Was ihm als Einziges nicht gefiel: dass die Schau nur wenige Tage zu sehen sein sollte. „Also entschloss ich mich, eines der Werke mitzunehmen.“ Sein Gewissen beruhigte der 19-Jährige damit, dass es sich offenbar nicht um Unikate handelte. „Wenn Ihnen der Verlust jedoch sehr zu schaffen macht, gebe ich sie natürlich gerne zurück.“

Wir haben ihn beim Wort genommen und die vertrauliche Übergabe angebahnt. Der junge Mann war wirklich sehr nett. Und an Publicity nicht im Geringsten interessiert: Schließlich hatte sich auch der rbb-Sender Radio Fritz für die Rückführung des Abführenden stark gemacht und dem Dieb versprochen, sein Körpergewicht mit Toilettenpapier aufzuwiegen. Das hätte locker für ein paar Jahre gereicht.

So aber steht der Scheißkerl in den Räumen der taz und wartet nebst sechs Originalschrauben (5/22 Millimeter, zylindrisch, Rundkopf, Inbus) auf Abholung durch die GTO. Mit „Scheißkerl“ war nämlich die entwendete Figur gemeint, nicht der Entwender. Und jetzt ist ja endlich alles wieder gut. Schwamm drüber? Sagen wir mal: Deckel drauf.

CLAUDIUS PRÖSSER