echt unterirdisch : Tiefgarage mit Gottes Segen
Die Sache gestern mit dem Domprobst Riedel hat mich daran erinnert, dass irgendwann mal in den 1970er-Jahren, glaube ich, sich das hessische Stadtallendorf (um die Ecke von Homberg/Efze) eine Tiefgarage unter einen Kirchplatz gebaut hat. Oder war das diese Geschichte aus Bad Salzuflen? Egal. Zur Eröffnung damals kamen der Bürgermeister, der Baurat, der Pfarrer, der Feuerwehrhauptmann samt Gattin, der Bauherr, die örtliche Puffbesitzerin mit Anhang und natürlich viel Volk. Man konnte Schlager aus der Hammond-Orgel hören. Bis nachts wurde gesoffen. Auch Festnahmen soll es gegeben haben. So ist das in der Provinz.
In Berlin macht man das jetzt genauso in Sachen Tiefgaragen. Und weil hier alles superlativ ist, geht das noch einen Zacken provinzieller, peinlicher, unterirdischer ab. „Oh Mann, holt mich hier raus!“, sagte ein Kollege, als am Mittwoch zur Eröffnung der Tiefgarage am Bebelplatz die halbe Stadt antanzte. Was er damit sagen wollte? Garagenbeat, Heidi „Opel“ Hetzer plus die oberen 10.000, vielleicht 20 Mille tuuu matsch oder was? Nein. Meinte er, hier sei alles so total beschissen, dass Berlin gleich nach Stadtallendorf oder Uflen kommt? Sind wir wieder so weit, dass in Berlin Garagen vom Senat und der Kirche eröffnet werden?
Nehmen wir mal den Antiberliner raus. Aber der Kollege hatte Recht. Besonders wegen des Domprobstes Riedel. Denn alle Vorahnungen von Micha Ullman, Künstler des Denkmals „Bibliothek“ zur Erinnerung an die Bücherverbrennung 1933, der sich gegen den Tiefgaragenbau wehrte, weil er den Geist und die Substanz seines Denkmals durch die Autonummer gefährdet sah, wurden erfüllt, ja gar noch übertroffen.
Also nun zu Riedel: Nachdem Bausenatorin Junge-Reyer über das Thema „Tiefgaragen als Motor der Stadtentwicklung“, Bürgermeister Zeller über dasselbe und dito Staatsopermann Mussbach und Bauherr „Herr Roeck“ von Wöhr + Bauer („Bauen und Parken“) fertig gezapft hatten, betrat Domprobst Riedel von der benachbarten St.-Hedwigs-Kathedrale die Bühne. Vergaß ich zu erwähnen, dass der Garagenbetreiber Theo F.-J. Thuis (Holland) Gratisparkscheine verschenkte?
Jetzt Domprobst Riedel: „Liebe Gemeinde“, sagte er nicht. Das hätte man noch verstanden, aber die Chance war vertan. Stattdessen wurde Riedel in voller Talar-Montur biblisch-tiefgaragenphilosophisch. Wie alles in der Welt und unter dem Himmel sei „diese Tiefgarage“ auch ein Bild des Lebens. „Tiefgaragen sind Orte der Begegnung“, im Parkraum Tiefgarage herrsche Ruhe vor dem hektischen Alltag und so weiter. Minuspunkt: Die Tiefgarage als Bild der Hölle kam nicht vor.
Ich glaube, hier ist der Kollege dann gegangen. Raus an die Luft. Das war schade, denn er hat verpasst, dass der wackere Kirchenmann mit silbrig glänzendem Haupthaar und Brille dann lässig in den Hosensack griff und einen langen Stab herausholte: den Weihwasserspender natürlich.
„Jetzt werde ich die Tiefgarage noch mit ein wenig Weihwasser segnen“, sagte Riedel allen Ernstes. Das Publikum, so ein paar hundert waren es schon, hielt den Atem an. „Performance-Riedel“: „Ich segne diese Tiefgarage im Namen …“ Danach gab’s Wein, Tanz, Musik und „Get-together-Rahmenprogramm“ im Keller unterm Bebelplatz, dass das benachbarte Denkmal wackelte, was aber nicht schlimm war. Das steht fest als betonierter Vierkantbolzen mitten in den Parkdecks.
Schließlich die gute Nachricht: Protestanten, Muslime, Juden, Buddhisten etc. dürfen auch parken.
ROLF LAUTENSCHLÄGER