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die wahrheitTeures Draußenrauchen

Kommentar von Tom Wolf

In Berlin soll das sowieso schon strenge Anti-Raucher-Gesetz weiter verschärft werden.

Berlins frische Luft zu verpesten, wird den vagabundierenden Schmauchlümmeln bald vergehen. Bild: reuters

Immer noch gilt Berlin als raucherfreundlichste Metropole Deutschlands. Doch jetzt soll die Hauptstadt ihr Nikotin-Image endgültig ablegen. Der Berliner Senat will ein neues verschärftes Antirauchergesetz erlassen, in dem auch das Rauchen im Gehen Geld kosten wird: die Smoke-Collect-Verordnung.

Eine preußische Verordnung aus dem Jahre 1786 ist Vorbild für die Initiative. Als der "dicke Willem", Neffe des alten Kautabak-Fritz, an die Macht kam, war es eine seiner ersten Maßnahmen, die Berliner Luft vom "Pesthauch der vagabundierenden Schmauchlümmel" zu befreien, indem er das Rauchen auf der Straße verbot. Nicht ohne Grund, hatte doch Goethe schon 1778 mit angewidert vibrierenden Nasenflügeln die "Pfeifenköpfe von Tabagikern" in der "Hölle Feuerofen" verwiesen und seinem Freund Karl Friedrich Zelter bedauernd erklärt, als der ihn nochmals in die Stadt einlud: "Des riescht mer zu schlescht!"

"Draußenrauchen wird teuer", sagt ein Senatssprecher. "Die vielen Raucher vor den Kneipentüren haben uns zum Handeln gezwungen. Man kann keine zwei Meter mehr auf dem Bürgersteig zurücklegen, ohne dass einem ein Raucher vor der Nase herumtanzt. Das schadet dem Image Berlins in aller Welt. Die berühmte Berliner Luft ist ja inzwischen ganz gelb geworden. Was wir immerhin erreichen können mit Smoke-Collect: Nie mehr umsonst und draußen!"

Durch die neue Verordnung soll ein Großteil der Wandelraucher aus dem Stadtbild verdrängt werden. Und zugleich will der Senat Kasse machen mit ihnen. Kontrolle und Gebühreneinzug übernehmen städtische Mitarbeiter und eine eigens entwickelte Technik. Schwierigkeiten, wie sie bei der Einführung des Systems der Lkw-Maut auftraten, sind nicht zu erwarten, denn man setzt bei Smoke-Collect, wie der Chefkonstrukteur Willi Alex anlässlich der Vorführung am Dienstag vor dem Roten Rathaus erklärt, auf die "humane Komponente".

Da Außenraucher unkontrolliert "flottieren", das heißt keine vorhersagbaren Bewegungen vollziehen wie Lkws, musste der Gedanke an Rauchsensoren an Ampeln oder Verkehrsschildern schnell fallen gelassen werden. "Uns wurde auch gleich von rauchenden Datenschützern vorgeworfen, dass wir Bewegungsprofile von Rauchern erstellen wollten." Alex lacht. "Dabei wurde ganz übersehen, dass wir durch die äußere Abtastung die Identität einer Person nur bei einem kleinen Personenkreis ermitteln könnten, bei denen, die in der Strafkartei ein Bild haben."

Alex präsentiert ein Gerät mit Handschlaufe, das an einen mobilen Scanner erinnert. "Um einen anonymen Raucher zur Kasse zu bitten, müssen wir direkt an ihn herantreten. Das werden Kontrolleure tun, die mit diesen Geräten ausgerüstet sind. Die bestehen aus Kamera, Drucker und einem Laserdetektor, der Zigarettenrauch schon auf zehn Meter Distanz eindeutig identifizieren kann. Ein Klick - und schon bekommt der Bewegungsraucher seine Quittung! Zur Sicherheit gehen unsere Schnüffeldetektoren immer zu zweit. Und bewaffnet werden sie auch sein - mit Reizgaspistolen. Man kann bei militanten Rauchern und Gebührenverweigerern schließlich nie wissen …"

Alex lächelt, als ein ungehemmt rauchender Stadtrat vor dem Visier des Geräts erscheint. Es schnurrt, und ein Kassenbon kommt heraus, auf dem man ein Infrarotbild, eine Rauchanalyse und eine Ganzkörperaufnahme des Rauchers sieht. Irrtum ausgeschlossen: "Das ist eine gebührenpflichtige Ordnungswidrigkeit. 25 Euro."

Aktive Unterstützung erfährt der Senat durch die Berliner-Luft-Kiez-Bewegung "Give air a chance", deren Mitglieder ehrenamtlich einspringen wollen und die bezahlten Kontrolleure in ihren schicken, rauchblauen Uniformen jederzeit - etwa im Streikfall oder bei auftretender Rauchallergie - zu ersetzen bereit sind. "Wir gehen bis zu Krebs! Ja, ich würde mich opfern, wenn damit der Luft gedient ist!", sagt eine Frischluft-Aktivistin im gelben Pullover.

"Und was kommt als Nächstes?", fragen wir einen Mann aus gut informierten Kreisen, der rasch seine Kippe auf dem Berliner Pflaster austritt und daher hier nicht genannt werden möchte: "Die schrecken vor nichts zurück. Als Nächstes kommen die Balkone und offenen Fenster dran. Dann geht es in die Laubenkolonien." Nun, das sind doch einmal überaus erfreuliche Neuigkeiten aus der Bundeshauptstadt. Ein Hoch auf Natur, Hightech und Verwaltung! Give air a chance! TOM WOLF

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3 Kommentare

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  • KR
    Klaus Regener

    Danke Jürgen,

    ich wollte gerade diese "Glosse" anprangern, aber deinem Kommentar kann ich nichts mehr hinzufügen.

  • JC
    Jürgen Christ

    Die "taz" lügt wie gedruckt. Ausgerechnet in der Rubrik "Wahrheit" liefert sie etwas ab, was man mit sehr viel gutem Willen Glosse nennen könnte. Doch, liebe Mädels & Jungs ist der Artikel etwas zu ausführlich geraten. Und...witzig finde ich ihn überhaupt nicht. Er paßt vielmehr ins Bild, wie sich "taz" gerne sieht: Kritisch und aufmüpfig vor allem gegen Obrigkeiten. Doch die Lüge besteht nicht alleine in der Unwahrheit des Artikels, sondern in der Tatsache, dass unsere "Obrigkeit" garnichts gegen das Rauchen hat (denn sonst wäre es längst abgeschafft) "taz" aber tut so, als sei Rauchen etc. eine Form des Protestes gegen staatliche Bevormundung, macht sich in Wirklichkeit aber zum Büttel für diesen Staat. Insofern ist diese "Glosse" eine Verschleierung für die tabakverherrlichende und damit staatstragende Politik von "taz". Und sowas ist eben garnicht witzig.

  • DW
    Damballa Wedo

    Ehrlich gesagt, kann ich diesen Bericht absdolut nicht glauben. Das wäre ja schlimmer, als das tiefste Mittelalter. Anstatt sich die Politik um wirkliche Probleme kümmert, wollen sie auf offener Straße Hetze auf Raucher veranstalten. Sind diese Leute denn vom Wahnsinn befallen? Oder ist es nur reine Geldgier, die Raucher abzuzocken.

    Drinnen darf nicht mehr geraucht werden. Draussen darf nicht mehr geraucht werden. Haben denn diese Politiker alle den Verstand verloren?