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die wahrheitDas Dorf, wo Milch und Honig fließen

Wasser ist ein beliebtes Thema in Irland. Vor allem, wenn es in Strömen vom Himmel fällt. Oder wenn kein Tropfen aus dem Hahn kommt...

... Wenn beide Ereignisse zusammen auftreten, versteht der Ire die Welt nicht mehr. Im vergangenen Winter zum Beispiel war die Insel überschwemmt, viele Städte und Dörfer waren wochenlang von der Umwelt abgeschnitten. Aber die Wasserhähne in weiten Teilen Westirlands waren versiegt. Man habe das Reservoir leeren müssen, weil es wegen der Wassermassen sonst geborsten wäre, lautete die Erklärung.

In Fanore in der Grafschaft Clare bleiben die Hähne auch sonst regelmäßig trocken. Bis vor ein paar Jahren hatte der Ort perfektes Trinkwasser, weil es durch den Kalkstein des Burren, wie die Region heißt, gefiltert wurde. Nur manchmal im Sommer, wenn viele Touristen kamen, war der Druck etwas schwach. Also beschloss die Verwaltung, bei der Europäischen Union Zuschüsse zu beantragen, um Fanore an die Wasserversorgung des Nachbarorts anzuschließen. Die wurden bewilligt, aber pro Haushalt mussten tausend Euro beigesteuert werden.

Danach begannen Bauarbeiter, Gräben über Berg und Hügel zum 15 Kilometer entfernten Reservoir des Nachbarorts zu ziehen. Da das Rohr, das dann verlegt wurde, ständig bergab und bergauf ging, mussten Pumpen eingebaut werden. Man wollte sie aber nicht mit einem altmodischen Kabel schalten, sondern mit einer modernen Infrarotanlage. Dafür ist Sichtkontakt zwischen Sender und Empfänger erforderlich, der aufgrund der vielen Hügel nicht gegeben war. Also musste die Strecke wieder aufgebuddelt und die Pumpen mussten verkabelt werden.

Drei Jahre nach Baubeginn sprudelte das neue Wasser aus den Hähnen. Die Chlorwolke haute einen fast um. Das Zeug war nicht mal zum Teekochen geeignet, geschweige denn zum Verzehr. Der Dorfladen machte mit Mineralwasser den Umsatz seines Lebens. Nach einigen Wochen ließ der Chlorgeruch etwas nach, so dass man riskieren konnte, das Wasser zu trinken, wenn man es filterte. Dann kam das lange Wochenende mit dem Augustfeiertag, an dem Hotels, Pensionen und Restaurants traditionell das Finanzpolster für den Winter verdienen.

Ausgerechnet an diesem Wochenende beschloss die Verwaltung, Wartungsarbeiten an den Pumpen vorzunehmen und stellte das Wasser für das ganze Wochenende ab. Der italienische Gastwirt machte sein Restaurant dicht, reiste entnervt von so viel Schildbürgerei in die Heimat und ward nicht mehr gesehen.

Seitdem ist das Wasser immer wieder ausgefallen. Einmal kappte der lokale Trunkenbold das Rohr mit einem Beil, und als ihn die Polizei am nächsten Tag freiließ, zerhackte er die reparierte Leitung erneut. Vor vier Wochen kam honiggelbes Wasser aus dem Hahn. Inzwischen ist es weiß wie Milch. Wenigstens kann man darin baden, denn schon Daisy Duck wusste, dass ein Milchbad gut für die Haut ist. Nur trinken kann man es nicht. Steckt der Dorfladenbesitzer hinter dem Farbreigen? Nur das Wasser, das vom Himmel fällt, ist geblieben, wie es war.

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