die taz vor zehn jahren über jugendarbeitslosigkeit :
Noch ist ja alles gar nicht so schlimm, rein statistisch gesehen. Jugendarbeitslosigkeit? Bei uns doch nicht! In Spanien sind immerhin 40 Prozent der jungen Leute im Alter von bis zu 25 Jahren arbeitslos, in Frankreich 30 Prozent. Dagegen nehmen sich die zwölf Prozent junger Erwerbsloser in Deutschland regelrecht friedlich aus. Noch. Aber das könnte sich ändern.
320.000 BewerberInnen sind derzeit bundesweit ohne Lehrstelle. Das ist ein Rekord. Fürs Erste ist hier wieder das alljährliche Ritual zu erwarten: Im Frühjahr erklang der Alarm der Gewerkschaften, im Sommer folgen die Appelle der Regierung an die Wirtschaft. Aktionen wie am heutigen „Tag des Ausbildungsplatzes“, an dem die Berufsberater durch die Firmen tingeln, um noch ein paar Lehrstellen auszugraben, gehören dazu. Im Spätherbst schließlich folgt die Entwarnung: Zehntausende von jungen Lehrstellensuchern sind aus der Statistik verschwunden, weil sie in den nächsten schulischen Bildungsgang wechselten.
Das Problem der Zahlenwunder: Die unversorgten Lehrstellensucher stehen nächstes Jahr wieder auf der Matte und verstärken die Bewerberzahlen. Mehr Lehrstellen aber sind vorerst nicht in Sicht.
Unternehmen, die keine Facharbeiter mehr benötigen, werden auch künftig nicht ausbilden. Im Gegenteil: Das Problem wird sich noch verschärfen. Ältere müssen nach den neuen Rentenregelungen länger arbeiten und blockieren so den Arbeitsmarkt für die Jungen.
Was aus dem Jobkonflikt werden kann, zeigen die Nachbarländer. In Spanien gelten sehr umstrittene Mindestlöhne für junge Arbeitnehmer. In Frankreich führte genau jener Streit um die Niedriglöhne für Berufsanfänger vor einigen Jahren zu Straßenschlachten. Fragt sich, wo der Konflikt in Deutschland ausgetragen wird: im Betrieb, auf der Straße oder zu Hause, wenn die Jungen unterbeschäftigt im „Hotel Mama“ hocken bleiben. Barbara Dribbusch, taz vom 18. 6. 1997