die taz vor zehn jahren über fußballspieler und spielerfrauen :
Spielerfrau: Das Wort klingt so halbseiden wie Petrodollar, Geiselgangster oder Sofortkontakt. Und was macht so eine Spielerfrau den ganzen Tag? Christian Ziege das Clearasil verstecken? Andreas Möller den dreiwettergetafteten Kopf aufbügeln? Andreas Köpke die Unterhemden kaufen, zu denen er als Jack the Feinripper nach Spielschluß über den Platz stratzt?
Seit Sonntag abend hat das Rätseln ein Ende. Mehmet Scholl saß mit seinem Dummejungengrinsen herum und sprach. Doch kein hübsches Bonmot wie „Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt!“ entglitt ihm, und auch zum scheußlichen Spiel der deutschen Mannschaft gegen die kroatische hatte er nichts Substantielles beizusteuern. Woher soll einer wie Scholl auch wissen, daß das Ergebnis ganz egal war, weil ja in jedem Fall eine der beiden unsympathischsten Mannschaften nach Hause fahren mußte?
Nein, Mehmet Scholl saß in seinem Proletentrainingsanzug aus Ballonseide da, grinste anzüglich und ließ den einen Gedanken, zu dem er fähig war, von der Leine: „Zur Entspannung“ werde noch „die eine oder andere Spielerfrau“ ins Hotel kommen dürfen. Die eine oder andere Spielerfrau?, wollte man noch grübeln, welche denn jetzt? Und was machen die da eigentlich?, als Wolf-Dieter Poschmann aus dem ZDF-Studio in London sogleich ölig „gute Verrichtung“ wünschte – man hätte direkt Feminist werden können, wenn das nicht genauso unappetitlich wäre wie diese Herrenreiterei.
Und restlos offenbarte sich das Wesen der Leute, die sich die Deutschen als ihre Helden ausgesucht haben: Es sind Männer, die sich von einem, den jeder ungestraft „Berti“ nennen darf, vorschreiben lassen, wann sie mit ihren Frauen schlafen. Und die nicht einmal genügend Würde besitzen, dazu zu schweigen, oder, wenn sie schon drüber reden müssen, wenigstens direkt „ficken“ zu sagen, sondern grinsend von „Entspannung“ reden, als wäre die Welt ein Sauna-Club. Und die Frauen haben, die man zu Recht Spielerfrauen nennt.
Wiglaf Droste in der taz vom 25. 6. 1996