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Archiv-Artikel

die taz vor sieben jahren: angela merkel und die castor-transporte

Angela Merkel tritt nicht zurück. Die Bundesumweltministerin wies gestern jegliche persönliche Schuld beim Skandal um die verstrahlten Castor- Transporte zurück und stellte einen Zehn-Punkte-Plan vor, mit dem technische und organisatorische Konsequenzen gezogen werden sollen. SPD und Bündnisgrüne forderten den Rücktritt Merkels sowie den Ausstieg aus der Atomkraftnutzung. Morgen muß Merkel im Bundestag um ihren Posten kämpfen.

Merkel sagte, sie wolle sich künftig nicht davon abhängig machen, ob Unternehmen Informationen herausrückten oder nicht. Deswegen, so die Ministerin, „müssen wir eine Informationspflicht hinkriegen, die Transparenz herstellt“. Sie räumte ein, daß das Vertrauen in die Kernkraftbetreiber empfindlich gestört sei und sich nicht ohne weiteres wiederherstellen lasse. Die Castor-Transporte sollen so lange gestoppt bleiben, bis die Ursachen für radioaktive Verunreinigungen geklärt und beseitigt worden sind. Merkel betonte, ihr Ministerium habe die Erkenntnisse über Grenzwertüberschreitungen selbst aufgedeckt. Es stehe fest, daß die Transporte zu keinem Zeitpunkt eine gesundheitliche Gefahr bedeutet hätten.

Joschka Fischer meinte, jetzt sei eine Entschuldigung bei Polizeibeamten und Demonstranten fällig. Er forderte Merkels Rücktritt. Es habe sich nun gerächt, daß sie sich immer nur als „Erfüllungsgehilfin der Atomindustrie“ verstanden habe. Die SPD verlangte „personelle und politische Konsequenzen“. SPD und Grüne fordern zudem den Atomausstieg. Fischer meinte an die Adresse von Schröder gerichtet, der sich diesbezüglich nicht festlegen will: Angesichts des Sumpfes, der sich offenbart habe, sei ein konkreter Ausstiegsfahrplan überfällig.

Merkel sagte dagegen, wer das Vertrauen in die Sicherheit der Anwendung der Kernenergie ablehne, agiere nur noch parteitaktisch und beschädige den Standort Deutschland. (Markus Franz, taz, 26. 5. 1998)