die taz vor 6 Jahren glossiert die benzinwut :
Es herrscht wieder Krieg auf deutschem Boden. Schlachtgetöse erschallt von der Zapfsäule: Der Benzinpreis, er explodiert. Schon ist die Zwei-Mark-Grenze gefallen. Mit immer neuen Enthüllungen und Schocktabellen überfallen uns die Frontreporter von Bild. Das erste Opfer ist der gute alte Adria-Urlaub. Rund 70 Mark teurer als vergangenen Sommer kommt die Fahrt ins italienische Rimini und zurück. Bei solch brutalen Mehrkosten gerät unsere gute Laune ernsthaft in Gefahr.
Nein, für Öl darf hier niemand bluten. Und so gebiert auch dieser Preiskrieg seine Helden. Kampferprobte Männer wie Walter Hirrlinger, der auch in so einer schwierigen Situation noch an Frauen und Kinder denkt. Er, der Präsident des größten vaterländischen Sozialverbandes VdK, will zumindest das gröbste Leid mindern lassen: durch Benzingutscheine. Wären doch noch mehr so mannhaft. Aber wie so oft vereiteln die Etappenschweine den Triumph an der Front. Einen „Autogipfel“ fordert Stoiber.
Die nächste Ökosteuer-Stufe vorerst aussetzen will Schütze Merz. Damit treibt er dem tapferen Autofahrer den Dolch erst recht in den Rücken. Sechs Pfennig weniger? Wo die Ölscheichs allein seit April 20 Pfennig draufgedonnert haben? Das bringt auf 100 Kilometer im Schnitt gerade mal eine halbe Mark Erleichterung. Der reine „Benzin-Irrsinn“! Die Nation dürstet nach Taten. Noch ist der deutsche Autofahrer auf der Straße unbesiegt. Und wen haben wir nicht alles kleingekriegt? Telefon- und Strompreis; Kaffee, Wurst, Käse – alles billig wie nie.
Die werden uns kennen lernen, die Scheichs. Wir zeigen denen, was ’ne Schaufel ist! Machen die Zechen wieder auf. Die Kumpels schaffen die Kohle rauf – und wir verflüssigen sie, wie einst, zu Benzin. Und dann überschwemmen wir den Weltmarkt mit billigem Sprit! Doch: Weit und breit nur Politiker ohne Mumm. Ach, weilte nur der Wüstenfuchs noch unter uns. Der wüsste, was zu tun ist.
Matthias Urbach, 3. 6. 2000