die taz vor 14 jahren über die abgründe von kohls geschichtspolitik :
In den Morgenstunden wird der Kanzler mit unserer Luftwaffe in die alte und neue Hauptstadt einschweben und den Mantel der Geschichte streifen. Wieder einmal werden Faulgase entweichen, verstohlen werden sich Ehrengäste ihr Taschentuch vor die Nase halten. Doch dann: ein trotziges Dennoch und schon wird Hermann Görings einstiger Dienstsitz Detlev-Rohwedder-Haus heißen.
Die Treuhand hat ihren Sitz an einem ausgesucht häßlichen Ort – im ehemaligen Haus der Ministerien der DDR, Görings früherem Reichsluftfahrtministerium. Göring fand seine Residenz schlicht „grandios“. Das künftige Detlev-Rohwedder-Haus liegt nicht irgendwo, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen Reichssicherheitshauptamt, Mehr noch: Göring war von 1938 an für die „Judenfrage“ zuständig und nahm ganz persönlich die wirtschaftspolitische Seite der „Entjudung“ in die Hand.
Fast sieht es so aus, als wolle der Kanzler Rohwedder mutwillig in die Nähe dieser Tradition rücken. Etwa so: „Am 12. November 1938, also unmittelbar nach der Pogromnacht, fand im Reichsluftfahrtministerium, dem heutigen Detlev-Rohwedder-Haus, eine große Konferenz zur sogenannten Judenfrage statt: Hier wurden die Gründzüge für die Judenpolitik der nächsten Jahre festgelegt. Diese Politik spitzte sich immer weiter zu, bis Göring 1941 den Chef des SD und der Sicherheitspolizei Heydrich in das Detlev-Rohwedder-Haus kommen ließ, um ihm endgültig den Auftrag zur ‚Endlösung‘ zu erteilen …“
Vielleicht fällt den engsten Angehörigen Rohwedders ja noch auf, an welchem Ort ihr Familienname hier verewigt werden soll. Gegen Helmut Kohls festen Willen werden sie nichts ausrichten. Aber möglicherweise können sie doch folgenden unumkehrbaren Beschluß durchsetzen: Der Palast der Republik wird unter Denkmalschutz gestellt und später in Helmut-Kohl-Halle umbenannt.
Götz Aly, 3. 1. 1992