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Archiv-Artikel

die taz vor 14 Jahren über potenzielle Mörder und andere Sprachverwirrungen

Es ist aparterweise der Bundeswehr zu danken, dass gewisse heilpädagogische Maßnahmen der politischen Sprache als solche wieder kenntlich wurden. Ein Major und ein Zeitsoldat befürworteten die Aussage, „alle Soldaten sind potentielle Mörder“, wurden dafür abgestraft und nun vom Bundesverfassungsgericht wieder freigesprochen. Sehen wir davon ab, dass nicht nur Soldaten, sondern wir alle potentielle Mörder, Rentner und Erdbeerpflückerinnen sind, der Streit und das Urteil also getrost als gegenstandslos und Ergebnis einer Sprachverwirrung betrachtet werden dürfen, begrüßen wir doch den Umstand, dass ein wahrer und zugleich sinnloser Satz geäußert werden und damit in Konkurrenz treten kann zu allen anderen Fehlformulierungen, die uns das politische Leben täglich beschert. Betriebe werden nicht dichtgemacht, sondern abgewickelt, die Arbeitslosigkeit heißt Kurzarbeit Null, Entlassungen werden zu Freisetzungen, und wenn es mit uns allen abwärts geht, dann nennen wir das negative Zuwachsraten. Die Rationalität der Schönfärberei hat das Gewaltmonopol des Staates kreativ erweitert und wiegt uns alle in der beschaulichen Illusion, die Gesellschaft befinde sich im Frieden mit sich selbst. „Und erst oberhalb dieses Gewirkes aus Körpern, Zufällen und Leidenschaften, oberhalb dieses dunklen und manchmal blutigen Gewimmels bildet sich etwas Zerbrechliches und Oberflächliches: eine wachsende Rationalität, die Rationalität der Kalküle, der Listen, der technischen Verfahren zur Aufrechterhaltung des Sieges, zum scheinbaren Verstummen des Krieges.“ So Foucault zur Politik, der Fortsetzung des Krieges mit den Mitteln der Imago-Produktion. Der korrekte Gebrauch der Sprache beschränkt sich bei den meisten Medien auf den Wetterbericht - und selbst dieser ist nur allzu selten wahr. So sagen wir ohne alle Schönfärberei an dieser Stelle nur: Es war heiß gestern. Heiß, heiß. Es gibt kein genaueres Wort dafür. Elke Schmitter in der taz am 22.7. 1992