die anderen zur ermordung des mörders tim mcveigh:
L'Humanité aus Paris: Die USA haben wegen ihrer politischen Führungsrolle in der Welt die Beibehaltung dieses archaischen Gesetzes der Vergeltung zum großen Teil zu verantworten. In den letzten 25 Jahren wurde dort 716-mal die Todesstrafe verhängt. Der Präsident selbst hält den Rekord des Horrors: Als Gouverneur von Texas hat er 135-mal die Vollstreckung der Todesstrafe genehmigt, kein einziges Mal hat er sie abgelehnt. Schon Victor Hugo forderte am 11. 2. 1854: „Kündige, Henker!“ Haben Sie Victor Hugo gelesen, Herr Bush?
Die dänische Zeitung Politiken: TV-Zuschauer in der ganzen Welt konnten dem letzten Weg des US-Terroristen Timothy McVeigh folgen, als er wie ein Schwein zur Schlachtbank geführt wurde. Die meisten zivilisierten Europäer werden diesen Zirkus vermutlich für Übelkeit erregend halten. Ehe wir uns aber mit Selbstzufriedenheit und Verurteilung der US-Barbarei überschlagen, sollten wir lieber nachdenken. Bei uns folgt jedem Aufsehen erregenden Verbrechen die Forderung nach härteren Strafen. Anstatt Resozialisierung mit dem Ziel eines besseren Lebens für Verurteilte ist das Ziel in zunehmendem Maße Strafe um der Strafe willen geworden. Die öffentliche Hinrichtung von McVeigh ist ein deprimierendes Indiz dafür, dass das Pendel in diese Richtung zurückschwenkt.
Die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza: Wer weiß, ob nicht noch entsetzlicher als die Hinrichtung selbst die Medienshow um sie herum ist. Das ist die höchste Steigerungsform von „Big Brother“ gewesen. Dabei ist der Tod doch individuell. In diesem einen Moment ist er nur für McVeigh allein. Wir waren Zeugen zeitgenössischer Barbarei, angefacht und entwickelt durch die zeitgenössischen Medien. Der Charakter der Todesstrafe ist Rache. Dabei ist Strafe nicht mit Rache identisch. Die Gesellschaft gab das Recht zur Bestrafung in die Hände unabhängiger Gerichte, um Menschen vor Rachsucht und irrationalen Antworten als Ausdruck von Hass zu schützen. Gestern trat der Hass unter dem Schutz des Gesetzes auf.
Die Zeitung El Mundo aus Madrid: Bush betritt in Europa eine ihm unbekannte Welt. Weder sein Raketenschutzschild noch sein Eintreten für die Todesstrafe kommen hier gut an. Am Vortag des Besuchs wurde McVeigh hingerichtet. Damit bekam der Attentäter genau die Bekanntheit, die er anstrebte. Niemand in Europa zweifelt daran, dass McVeigh ein skrupelloser Mörder war. Die Europäer halten es aber für sinnlose Barbarei, wenn der Staat als Rächer auftritt. Die Hinrichtung war nichts anderes als die Ermordung eines Mörders.
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