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Archiv-Artikel

die anderen über gaddafi auf europa-besuch

Die Tageszeitung Le Journal de la Haute Marne aus Chaumont kommentiert den Besuch des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi in Brüssel: Der Geruch des Erdöls hat den eigenartigen Vorzug, Gedächtnissschwund hervorzurufen. Nun hören wir, wie sich der libysche Staatschef, der zuvor mörderische Attentate ausüben ließ, als Künder des Weltfriedens aufspielt. Im Moment braucht der libysche Oberst den Westen. Seine Versöhnung mit den USA und mit Europa ist es ihm wert, die Verantwortung für die Anschläge auf Passagierflugzeuge zu übernehmen. Aber man kann sich sicher sein, dass der Größenwahn und Wankelmut diesen Mann befähigt, sich eines Tages wieder gegen seine neuen Freunde zu wenden. Gaddafi ist in erster Linie ein Opportunist.

Die russische Tageszeitung Kommersant merkt an: Einige europäische Politiker bezweifeln, dass Libyen schon reif genug ist, um vollberechtigt an den EU-Prozessen in der Mittelmeerregion teilzunehmen. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer begrüßte zwar insgesamt die Bereitschaft Libyens, sich weiter zu öffnen. Aber er wies auch auf Hindernisse für eine Zusammenarbeit hin, zum Beispiel die ungelöste Frage der Entschädigung für die Opfer des vom libyschen Geheimdienst verübten Bombenanschlags auf eine Westberliner Discothek.

Auch der Kurier aus Wien befasste sich mit Gaddafi: Nun hat die EU Herrn Gaddafi nach Brüssel geladen. Nur sein zur Litfaßsäule erstarrter Körper und sein Endlos-Handschütteln mit dem EU-Kommissionspräsidenten verrieten, dass der Oberst auf dem internationalen Parkett noch nicht versiert ist. Ein kleiner Zwischenfall (ein verzweifelter Mensch versuchte, Papiere zu reichen) könnte die einzige Andeutung sein, dass der Gast Präsident eines nicht gerade demokratischen Landes ist. Macht nichts. Hauptsache, der Wüstensohn ist geläutert und der Westen muss sich nicht aus moralischen Gründen das Business versagen. Um die Bezahlung muss man nicht fürchten. Der Petrodollar wird rollen.

Das Grenz-Echo aus dem ostbelgischen Eupen schreibt: Als Gaddafi in Brüssel die EU besuchte, wurde er vom Präsidenten der Kommission, dem Italiener Romano Prodi, auffallend herzlich begrüßt und umarmt. Ob dies nun der Verbundenheit Italiens mit Libyen galt oder ein Zeichen der Erleichterung war, weil offenbar doch mit dem skurrilen Staatschef auszukommen sei, bleibt ungeklärt.

Die flämische Zeitung De Morgen aus Brüssel meint: In kaum sechs Monaten entpuppte der Diktator und internationale Paria sich als Politiker, der mit dem Westen zusammenarbeiten will. Nicht schlecht für einen Mann, der sein Land beinahe 35 Jahre lang als absoluter Monarch regierte und eine Schreckensherrschaft führte. Diktatoren mit Größenwahn wird geraten, seinem Beispiel zu folgen.