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Archiv-Artikel

deutsche durchhalteparolen von WIGLAF DROSTE

Je armseliger die Zeiten, desto fetter die Durchhalteparolen. Auch die Frauenzeitschrift Brigitte hat die Zeichen der Zeit erkannt und staucht ihre Leserschaft am 17. September auf der Titelseite mit einer bemerkenswert langen und schäbigen Überschrift zusammen: „Gut, dass jede Liebe Höhen und Tiefen hat. Nur Beziehungen, die sich bewegen, bleiben stabil“.

Wenn schon der gemäßigte Konsumfeminismus die Segel streicht und Eisernsein befiehlt, weiß man, was die Uhr geschlagen hat: Das Ertragen von Unglück wird zur Kardinaltugend ernannt, die Frau wird zum Dasein als Trümmerfrau vergattert, und Blut, Schweiß und Gähnen sind gefälligst herrliche Sachen! Wer aber gern lebt, ist ein Feind und Schädling des Volkes und soll sich mal hüten vor dessen Zorn.

Brigitte säuselt psychosozial bescheidwisserisch, „was das Leben wirklich bestimmt“: „Beschränkungen bejahen“. Die Tu-Wörter dazu haben allesamt einen deprimierend essigsauren Klang: „durchstehen“, „verwinden“, „organisieren“, „verarbeiten“, „begleiten“. Das wetterjackenhaft Praktische ist gefragt, das Kittelschürzige, das Weißgestärkte und Patente, das Genügsame, das Anspruchslose und Verhärmte. Sagst du stets nur: Ich beglitt / Ist dein life a piece of shit.

Zeitgleich mit den Brigittigitts haben unsere Fußballreporter eine Eigenschaft entdeckt, die sie ganz aus dem Häuschen geraten lässt: „Effektivität“. Kein Adjektiv wird derzeit so schwärmerisch ausgesprochen wie das trostlose „effektiv“. So landet das Land bei Helmut Kohl, der analog formulierte: „Wichtig ist, was hinten rauskommt.“ Wo so geredet wird, regiert der Geist des Hinterns. Öffentlich eingeprügelt wird der Verzicht als solcher, das freiwillige Verzichten auf Schönheit, Leidenschaft, Glück und Stil, auf Herzhämmern und Ekstasen, auf das Rasen der Moleküle – also der Verzicht auf alles, was Leben ist.

Es ist zum Brechen anpasserisch, und es passt zu Ökonomie und Politik. Hans-Olaf Henkel, der gleichermaßen asoziale wie zirkusreife Mentor von Niedertracht und Gemeinheit, predigt in Kai Dieckmanns Bild wie bei der nicht minder verwahrlosten Käseecke Sabine Christiansen, dass man dem Sozialhilfeempfänger an der Ecke mal in aller Härte und gern auch mit ein paar Stiefeltritten klarmachen muss, wie viel zu gut es ihm eigentlich geht, Guido Westerwelle pickelt ungestraft sein Wer-nicht-arbeitet-soll-auf-der-Stelle-verhungern in die Welt, Armut wird als Delikt geahndet, und der Frankfurter Paradeschwätzer Matthias Horx liefert die Motivationsesoterik dazu und jodelt: Zukunft ist möglich – es muss Schluss sein mit dem Jammern – vor allem in Deutschland!

Zur Aggressionsethik von Verzicht und Klappehalten gehört ein beerdigtes Privatleben. Dafür ist die gute alte Brigitte zuständig und raunt: „Wie aus lustfixiertem Sex eine Sexualität von Nähe und Bindung wird.“ Klingt es nicht faszinierend nach Krankenkasse: „Sexualität von Nähe und Bindung“? Puuh … – sowas möchte ich nicht mal haben, wenn ich tot bin, schon gar nicht in diesem Jargon aus Eititei und betreutem Wohnen.