der wochenendkrimi : Das Lied des Weckers
„Tatort: Das Ende des Schweigens“, So. 20.15 Uhr, ARD
„Sprich doch mit ihm!“ Kommissar Borowski (Axel Milberg) hat von seiner Tochter einen Wecker mit Voice-control-Funktion geschenkt bekommen, das Ding braucht ungefähr die gleiche Zuwendung wie ein Hamster. Ansonsten herrscht Schweigen in diesem „Tatort“ aus Kiel. Es wird zwar viel übereinander, aber wenig miteinander geredet.
Aufzuklären ist der Tod einer jungen Frau, die offensichtlich unter einem Helfersyndrom gelitten hat. Um alles und jeden hat sie sich gekümmert. Um die alte Nachbarin, um die jüngere Schwester. Und um einen trauernden Familienvater, der ihr Geliebter wurde. War es Mord oder Selbstmord, war die junge Frau seelisch gefestigt oder eher instabil? Die Mutter der Toten (Susanne Lothar) hat dazu eine recht klare Meinung: „Silke hatte nicht mal genug Ego, um labil zu sein.“
Regie bei diesem nordischen Seelenkrimi führte der Italo-Amerikaner Buddy Giovinazzo, der zuvor den Münchner „Polizeiruf“ „Mit anderen Augen“ als amtlichen Serienkillerthriller inszeniert hatte. Spritzte dort aufgrund eines familiären Traumas das Blut in Fontänen gegen die Zimmerwände, spritzen hier die bösen Sätze. Denn es wird nun mal eine unheilvolle Energie freigesetzt, wenn zwei Schweigesysteme aufeinanderprallen, so wie das in diesem „Tatort“ passiert: Da ist zum einen die Familie der Toten, die einst nach dem Selbstmord des Vaters zerbrach. Und da ist der Geliebte der Ermordeten, der seit dem Verlust des gemeinsamen Kindes mit seiner Frau in stiller Zwietracht lebt.
Die schuldhaften Verstrickungen werden plausibel skizziert, auch wenn die Ermittlungsarbeit nicht immer recht nachzuvollziehen ist (Buch: Jörg von Schlebrügge). In den beiden Hauptdarstellern findet dieses Schweigedrama auf jeden Fall zwei überzeugende Gegenspieler: Anna Brüggemann verkörpert die kleine Schwester der Toten, brüllt und wütet in dieser Rolle gegen das Schweigen; Thomas Heinze verkörpert den Geliebten mit dem verstorbenen Kind, der in seiner Wortlosigkeit gefangen ist. Schreie und Stille, beides hat hier eine ähnliche Ursache. Nur Borowskis Wecker piept ungerührt sein Wecklied. CHRISTIAN BUSS