der talentschuppen : Förderung mit sozialer Auslese
An allen Schulen gibt es begabte Kinder, verkündet Bildungssenator Klaus Böger (SPD) und lässt Hauptschüler außen vor. Denn diese kommen in dem Konzept zur Förderung besonders Begabter nicht vor. Vom Recht auf besondere Förderung profitiert damit vor allem die Mittelschicht.
KOMMENTAR VON ANNA LEHMANN
In einer von der Senatsverwaltung veröffentlichten Liste mit rund 150 Schulen, in denen Kinder von talentiert bis hochbegabt gefördert werden sollen, tauchen lediglich vier Realschulen und keine Hauptschule auf. Unter den 15.000 Berliner Hauptschülern sind nach dieser Einteilung offenbar keine Talentierten, was den bösen Schluss nahe legt, dass die Masse der Migrantenkinder, die nicht selten nur aufgrund von Sprachproblemen zu 60 Prozent auf Hauptschulen landen, unterbelichtet ist. Gegen solche Unterstellungen schreitet Böger zu Recht ein. Jedes Kind sei begabt, rückt er zurecht. Doch bleibt Böger, was die besonderen Begabungen von Hauptschülern betrifft, untätig. Selbst wenn nur zwei Prozent der Schüler eines Jahrgangs mit genialem Geist gesegnet sein sollten, kann Böger nicht davon ausgehen, dass diese ausschließlich an Gymnasien und Gesamtschulen anzutreffen sind. Es sei denn, er verlässt sich darauf, dass die Begabung der Kinder an den Grundschulen schon rechtzeitig erkannt wird.
Dem ist aber nicht so. Auch in Berlin tritt die diskriminierende Selektivität des deutschen Schulsystems offen zutage. Denn nur acht Prozent der Berliner Migrantenkinder machen Abitur, die Hälfte der Abiturienten kommt aus der Mittelschicht. Sinnvolle Neuerungen des Bildungssystems dürfen nicht auf solchen brüchig gewordenen Grundpfeilern ruhen. Begabtenförderung muss für alle Schüler gelten.