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Archiv-Artikel

der stadtentwicklungsplan verkehr (teil 7) Berliner Probleme mit dem Innenstadtverkehr

Vergeblich wird gefordert, den Verkehr aus der City zu verbannen

Mit dem Stadtentwicklungsplan Verkehr (StEP) beginne ein „neues Verkehrszeitalter“, kündigte der Senat vollmundig vor einem Jahr an. Auf das Jahrzehnt der Restauration der Verkehrsinfrastruktur soll jetzt ein Jahrzehnt der „intelligenten Nutzung“ folgen. Experten, Planer und Kritiker diskutieren an dieser Stelle, immer freitags, über die Zukunft der Berliner Verkehrspolitik.

Wer in London mit dem Auto in die City fahren will, zahlt täglich umgerechnet rund 8 Euro. Das ist teuer, doch der Verkehr hat seit der Einführung der „City-Maut“ um 15 Prozent abgenommen. Mit den Einnahmen werden neue Busse für den ÖPNV beschafft.

Ein Modell für Berlin? Wohl kaum. Mit dem Stau lässt sich in Berlin eine Innenstadtmaut nicht begründen, denn im Vergleich zu London ist der Verkehr in der Berliner Innenstadt nahezu traumhaft. Regelmäßige Staus im Berufsverkehr erleben wir in Berlin eher auf den Zufahrtsstraßen, wer einmal „drin“ ist, bewegt sich dort meist ohne Probleme, wenn nicht gerade ein Staatsbesuch oder eine Demo die Straßen blockieren.

Dabei trägt manche Hauptverkehrsstraße durchaus eine Belastung, die einer gut befahrenen Bundesautobahn gleichkommt – obwohl viele Pendler das gute Netz des ÖPNV zur Alternative hätten.Warum ist dies so? Zum einen liegt es an der Struktur des Hauptstraßennetzes, das in der östlichen Stadthälfte radial auf die Innenstadt ausgerichtet ist und den Verkehr geradezu in die Innenstadt hineinschleust. Hinzu kommt „Durchgangsverkehr“, der diesen Weg nur deshalb wählt, weil er der schnellste ist. Im Unterschied zur Westhälfte fehlen in der östlichen Stadthälfte leistungsfähige Ringstraßen oder „Tangenten“.

Eine Rolle spielen auch das bereits im 19. Jahrhundert angelegte, aber vor allem nach dem Krieg gut ausgebaute Hauptstraßennetz und sein großzügiges Angebot an kostenlosen oder preisgünstigen öffentlichen und privaten Stellplätzen in der City – so dass eine Fahrt mit dem Auto häufig schneller zum Ziel führt als Bus-Gekurve oder S-Bahn-Reisen.

Die so genannte Motorisierung liegt in den Wohngebieten des Innenstadtrandes nur bei der Hälfte der Außenbezirke. So ist es durchaus gerechtfertigt, dass seit 1990 immer wieder die politische Forderung erhoben wird, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt zu verbannen und den Anteil des ÖPNV dort erheblich zu steigern. Vergeblich, keines der Ziele wurde bisher erreicht.

Mit Einzelmaßnahmen und ohne ausreichende Berücksichtigung der Ursachen der bestehenden Verhältnisse lässt sich nichts erreichen. Mit dem neuen Stadtentwicklungsplan Verkehr soll deshalb eine Strategie mit aufeinander bezogenen und sich unterstützenden Maßnahmen entwickelt werden.

Grundgedanke ist, den so genannten Zielverkehr mit Autos in die Innenstadt so weit zu reduzieren, dass Spielräume für eine begrenzte Umleitung des Durchgangsverkehrs entstehen. Eine Beschränkung darauf wäre keine Lösung, da ausreichend leistungsfähige Straßen um die Innenstadt herum fehlen und der Verkehr so nur in die bereits benachteiligten Innenstadtrandgebiete hineingedrückt würde. Wie aber sieht eine Entlastung aus?

Zum einen durch bessere ÖPNV-Angebote (und bessere Bedingungen für den Radverkehr), zum anderen durch eine andere Parkraumpolitik.

Besserer ÖPNV heißt unter Berliner Bedingungen vor allem: schneller mit Bus oder U-Bahn in und durch die City. Das geht mit besserer Linienverknüpfung beim Umsteigen und auch Ergänzungen im Liniennetz sowie mehr Abstell- und Mitnahmemöglichkeiten für das Zweirad.

Andere Parkraumpolitik heißt: Verdeutlichen, dass öffentlicher Parkraum kostbar und die öffentliche Subventionierung keine Selbstverständlichkeit ist. Zumindest wo der Parkraum knapp ist, muss er bezahlt werden, und es muss gelten: je knapper, desto teurer. Dies bringt Pendler zum Umdenken und nützt Anwohnern, Gewerbetreibenden und dem ÖPNV. Aber auch der bisher unbegrenzt zulässige Bau privater Großgaragen auch in Innenstadtbereichen, die mit Bus und Bahn bestens erreichbar sind, soll begrenzt werden, weil sonst immer neuer Autoverkehr angezogen wird.

Eine Simulation aller im StEP vorgesehenen Maßnahmen hat ergeben, dass in einigen Jahren eine Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt um rund 20 Prozent möglich wäre. Das schafft den nötigen Spielraum, um einen Teil des heutigen Durchgangsverkehrs umzuleiten. Dazu wird schon gebaut: so die Schließung des „Innenringes“ mit dem Tiergartentunnel und der Bernauer Straße (mit Straßenbahn); auch die Verlängerung der A 100 bis in den Raum Ostkreuz hätte eine solche Entlastungswirkung. Das wiederum schafft Platz, der Fußgängern und Fahrradfahrern zurückgegeben werden soll. Auch der notwendige Wirtschaftsverkehr profitiert.

Der Haupteffekt der Verkehrsumleitung soll jedoch keinesfalls durch den (eher traditionellen) Ansatz neuer Straßen erreicht werden. Vielmehr durch eine Signalanpassung an vielen Kreuzungen vor der Innenstadt. Mit moderner Verkehrstelematik wird es möglich, den Verkehrszufluss zur Innenstadt künftig besser zu dosieren.

Sollen die Ziele erreicht werden, ist eine schrittweise und konsequente Umsetzung der StEP-Strategie über viele Jahre hinweg nötig. Scheitert dies, könnte es dann doch geschehen, dass auch in Berlin eine teure Maut für die Benutzung der Innenstadtstraßen erhoben werden muss. Brüssel wird zunehmend Druck auf die Kommunen machen, wenn deren Anstrengungen nicht ausreichen.

FRIEDEMANN KUNST

Der Autor ist verantwortlich für Grundsatzangelegenheiten der Verkehrspolitik bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Nächsten Freitag: „ÖPNV unter Druck“