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der rote faden In nur zwei Fragen und fünf Minuten zum kritischen Denken

nächste wocheRobert Misik Foto: Stefan Boness

durch die woche mit

Daniel Schulz

Zeit für einen kleinen Test. Nach Jahrhunderten der Aufklärung hat ein Teil der Menschheit genug von dem Versuch, sich selbst Vernunft beizubringen. Rausch ist angesagt, jedem sein Becher Wahnsinn, alle Runden gehen aufs Haus. Je irrer etwas klingt, desto lieber glauben die Leute daran. Die USA sind an allem schuld, die BRD ein Unrechtsregime.

Klar, Sie sind keiner dieser Irren. Kritisches Denken heißt das Zauberwort, die Dinge hinterfragen. Der eine oder andere Journalist könnte das auch mal versuchen. Aber vielleicht merken Sie manchmal dieses leichte Zupfen im Hirn? Könnte doch was dran sein an dem, was die anderen da sagen? Überprüfen Sie! Zwei Fragen, fünf Minuten, dann haben Sie Gewissheit.

Hirnzupfen

1. Frage: Am Mittwoch starben bei einem Anschlag auf einen Militärkonvoi in der türkischen Hauptstadt Ankara mindestens 28 Menschen, über 60 werden verletzt. Schon 17 Stunden später sagt der türkische Ministerpräsident Davutoğlu, Salih N. habe einen mit Sprengstoff geladenen VW-Scirocco in den Konvoi gefahren. Der Mann sei Kämpfer der kurdischen Miliz YPG gewesen.

Was ist tatsächlich passiert?

a) Man muss nur schauen, wem das Ganze nutzt. Erdoğan träumt von einer osmanischen Einflusssphäre, da kann er nicht zulassen, dass sich die kurdischen Milizen im Norden Syriens ungestört mit den Russen verbünden. Und jeder Anschlag verhindert, dass seine Wähler nachdenken. Etwa darüber, ob der seit zwei Jahren andauernde neuerliche Krieg gegen die Kurden eine so grandiose Alternative zum Friedensprozess davor ist. Dass Erdoğans Regierung nicht davor zurückschreckt, ihre Kritiker verhaften oder umbringen zu lassen, hat sie bereits bewiesen. Von da ist es nur ein kleiner Schritt bis zu einem Anschlag, der den eigenen Interessen dient.

Kurdenfixierung

b) Man muss nur schauen, wem das Ganze nutzt. Für den IS wäre es eine Katastrophe, wenn Russland, die Türkei und die mit den USA alliierten Gruppen gemeinsam kämpfen würden. Da die Strategen des IS sicher sein können, dass die Regierung Erdoğan auf die Kurden fixiert ist, bietet ein solcher Anschlag die besten Möglichkeiten, neue Zwietracht zu säen.

c) Man muss nur schauen, wem das Ganze nutzt. Die Russen wollen das Assad-Regime so stark wie möglich machen. Dafür muss die Türkei mit sich selbst beschäftigt sein. Plus Rache für das abgeschossene Kampfflugzeug im November 2015. Sonst gilt Putin = Plutonium, aber das wäre hier wohl zu auffällig gewesen. Dass die türkische Vergeltung nun die YPD trifft, ist dabei ein netter Nebeneffekt. Schließlich wollen auch die Russen und Assad keinen Kurdenstaat in Nordsyrien.

Nun, das war nicht ganz einfach. Weiter.

Zeugentode

2. Frage: Neuer Todesfall im Umfeld der ZeugInnen im NSU-Prozess. In dieser Woche wurde bekannt, dass Sascha W. am 8. Februar tot aufgefunden wurde. W. war der Verlobte von Melissa M., die vor einem Jahr starb. Ihr Exfreund Florian H. soll im September 2013 Suizid begangen haben. Florian H. und Melissa M. haben beide zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter ausgesagt. Was ist da los?

a) Dieser Staat hat seit Beginn des NSU-Prozesses alles dafür getan, seine Spuren zu verwischen: lahme Untersuchungsausschüsse, Akten schreddern, ein V-Mann stirbt an Diabetes. Dazu die schlampigen Ermittlungen im Fall Florian H. Nun sterben eben die unbequemen Zeugen.

Staatsverschwörung

b) Was glauben wir eigentlich, was mit den Massen brutaler Neonazis aus den 90er Jahren passiert ist? Haben die alle Tattoo-Studios in brandenburgischen Kleinstädten aufgemacht oder lesen mit ihren Kindern in Klein-Ariersdorf, Mecklenburg-Vorpommern, die unkommentierte Version von „Mein Kampf“? Viele sitzen heute in Ämtern, Unternehmen und der Polizei, ein Netzwerk mit tödlichen Möglichkeiten.

c) Immer fein an den Fingerchen abzählen: Eins und eins ist zwei, so geht die linke Patschehändchenrechnung. Wer hat den Asylbewerber Khaled Idris Bahray aus Eritrea in Dresden getötet? Müssen Nazis gewesen sein. Ist schließlich Pegida-Stadt. Und dieser Flüchtling, der in Berlin vor dem Lageso gestorben ist. An Fieber und Herzenskälte. Es wäre nicht das erste Mal, dass Selbstmorde in einem bestimmten Umfeld gehäuft auftreten. Wäre natürlich nicht so spannend, deshalb gleich Staatsverschwörung.

Na? Wie war’s? Gut, dann einen schönen Tag noch. Was? Ein Ergebnis wollen Sie? Okay, so geht’s: Sie geben diese Fragen Ihren Kollegen, Freundinnen, Ihrem Mann. Schauen Sie genau hin, was die ankreuzen, wo sie zögern, wo sie diesen seltsamen Blick bekommen. Und dann sortieren Sie aus. Mit Irren haben Sie nichts zu schaffen.

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