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Archiv-Artikel

der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… soll erwachsen werden. Zu lange hing er in politischen Fragen am Rockzipfel der grünen Partei, jetzt muss er loslassen, die Grünen sind seiner überdrüssig. Der einstige Vorzeigeschwule der Partei, Volker Beck, hat längst die Spur gewechselt und profiliert sich zum Wohl der eigenen Karriere auf anderen Feldern.

Jetzt hat eine grüne Spitzenpolitikerin den Lesben und Schwulen einen weiteren Stoß versetzt: Antje Vollmer erteilte im Berliner Tagesspiegel der Forderung nach einem Adoptionsrecht für Homosexuelle eine knallharte Absage. Tricky, wie nun mal die Vizepräsidentin unseres Bundestages ist, startete sie ihre Attacke mit „Gleiches Recht für gleiche Liebe“, eine der Parolen, mit der die Grünen sich einst auf billigem Stimmenfang unters schwule Volk mischten, und setzte jetzt kurzerhand ein Fragezeichen dahinter: So kurz und knapp kann der Abschied sein von alten Idealen.

Was dann in mütterlicher Überheblichkeit an Argumentation folgt, bringt die frühere Maoistin in kuschelige Nähe zu konservativen Kirchenkreisen und den politischen Freunden im schwarzen Lager. Bar jeglicher feministischer Erkenntnis – auch so ein Sumpf, aus dem man sich üppig bediente angesichts von Wahlen und die man jetzt gern von der Backe hätte – greift Frau Vollmer auf das Schlichte zurück. Mit der Triole Vater – Mutter – Kind, sagt sie, soll die Welt eingerichtet sein und nicht anders: „Die Erfahrung von Polarität“ ist „für Kinder produktiv und gut“. Und setzt dem ein ganz abgefeimtes Häubchen obendrauf: „Kinder wollen einen Vater und eine Mutter – das gilt übrigens besonders bei Kindern, die ihre eigene Homosexualität entdecken.“ Dieser Zusatz ist völlig sinnlos, hat aber eine deutliche Message: Was wollt ihr eigentlich, ihr blöden Homos, selbst eure Nachfahren schreien nach Mama und Papa und sehnen sich nach einfachen Verhältnissen.

Doch Vollmers perfider Subtext geht noch weiter: „Schwule und Lesben haben in den letzten Jahren enorm viel erreicht – auch verglichen mit anderen benachteiligten Gruppen der Gesellschaft“, schreibt sie und meint: Undankbares Pack, kann den Hals nicht voll genug kriegen, andere müssen zurückstehen, damit es euch besser geht!

Die rot-grüne Koalition entlässt ihre Kleinkinder, Homosexuelle verschwinden in der untersten Schublade. Mit der Festschreibung neuerlicher Ungleichheit, kurz: Homoehe (noch in der vergangenen Woche von den Lesern der Siegessäule zum „Flop des Jahres“ gekürt), hoffte man, Ruhe zu haben vor den Perversen für die nächsten Jahrzehnte. Mit ihren weitergehenden Forderungen sind sie nur noch lästig. Dafür gibt’s vom Online-Magazin Queer die „Homo-Gurke“ für Frau Vollmer, aber die hat bekanntlich ein dickes Fell und fühlt sich im Reinen mit dem gesunden Volksempfinden. Denn darüber darf sich keiner hinwegtäuschen: Viele werden aufgeatmet haben nach der Vollmer’schen Lektüre, im rechten wie im linken und auch liberalen Lager: Endlich sagt’s mal eine! Verbissen kleben Heterosexuelle an ihrer Lebensweise und verteidigen jeden Zentimeter. Dass es auch anders geht, können sie nicht zugestehen, zu sehr käme ihr durch und durch fragiles Konstrukt endgültig ins Wanken.