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Archiv-Artikel

der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… sollte erschossen werden, gezielt am Kopf, oder mit Säure übergossen, aufgehängt oder verbrannt werden. Diese Tötungsvorschläge mit rhythmischer Musik unterlegt, und fertig ist der antischwule Reggae, mit dem seit Jahren die Stars der jamaikanischen Musikszene im In- und Ausland gefeiert werden. Beenie Man gehört dazu ebenso wie Buju Banton, Shabba Ranks und Capleton, Bounty Killer und die Gruppe T.O.K.

Was lange erfolgreich währte, wird überhaupt nicht mehr gut. Die Musiker bekommen jetzt mit ihren schwulenfeindlichen Liedtexten Schwierigkeiten im Ausland. Konzerte wurden abgesagt in den USA, Großbritannien und Deutschland, Plattenfirmen drohen mit dem Ende der Verträge, Sponsoren wollen kein Geld mehr geben, Schwulengruppen rufen zu Protesten auf und Menschenrechtsorganisationen sammeln Daten und Fakten.

Dabei verbreiten die Reggae-Stars nichts weiter als das, was gesellschaftlicher Konsens zu sein scheint in ihrer Heimat. Homosexualiät ist verboten auf Jamaika, für ein simples Händchenhalten drohen unter Umständen zehn Jahre Haft. Noch im Herbst 2003 sprachen sich 93 Prozent der Bevölkerung dafür aus, diese Rechtsprechung beizubehalten. Was für eine Kultur! Die, die sich damit auskennen, verweisen gern auf die alttestamentarischen Wurzeln dieser Homophobie, mit denen jeder Jamaikaner aufgewachsen sei.

Die Sänger stecken in einem Dilemma. Gerade jene Songs, bei denen zu Hause jeder mitsingt, will im Devisen bringenden Ausland kaum einer mehr hören. Stattdessen fordert die Polizei dazu auf, schwulenfeindliche Äußerungen auf der Bühne zu unterlassen. Die Musiker wiegeln ab, schwören jeden Schwur, nie mehr solche Lieder zu singen, um es dann doch wieder zu tun, und die Reggae-Fans im Westen fallen aus allen Wolken: Das haben wir nicht gewusst, die Texte versteht sowieso keiner. Buju Bantos schwulenfeindlicher Song „Boom Bye Bye“ ist doch schon zwölf Jahre alt, also längst verjährt. Auf den Vorhalt, dass auf Jamaika dennoch Schwule verfolgt und ermordet werden, wird eine ortsansässige Expertin zu Rate gezogen. Carolyn Cooper, Professorin für Cultural Studies an der Universität von Kingston, erklärt: „Die meisten Homosexuellen, die in Jamaika ermordet wurden, sind von Homosexuellen, von ihren Liebhabern ermordet worden.“ Also ruhig Blut, kommentiert das Feuilleton der Berliner Zeitung, Schwule sollten „gelassen“ reagieren „statt nun mit viel Tamtam die Muskeln spielen zu lassen“. Für mehr Gelassenheit plädiert auch BBC-Moderator David Rodigan: „Um bestimmte Verhaltensmuster zu verstehen, musst du erst einmal das Wesen dieser Kultur verstehen.“ Sehr einfältig verteidigt im Internet ein Reggae-Fan seine Idole: „Beenie Man stand schon in Bremen auf der Bühne – und soweit ich weiß, hat es anschließend keine Brandanschläge auf Schwule und Lesben gegeben.“

Man stelle sich hierzulande vergleichbare Hassgesänge gegen Juden vor, gegen Schwarze, gegen Ausländer – verdammt noch mal, warum sind es immer wieder die Schwulen, die sich nicht so aufregen sollen, nicht alles so ernst nehmen sollen, andere Sitten und Gebräuche tolerieren sollen? Warum sollen Schwule ihr Maul halten?