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Archiv-Artikel

der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… ist manchmal erschreckend einfach gestrickt. Jetzt wurde er nach seinen Idolen gefragt, bei einer Online-Abstimmung des britischen Meinungsforschungsinstituts OnePoll. Das Ergebnis? Lauter bekannte Namen und Gesichter, vorhersehbar und ohne Überraschung: Kylie Minogue, Dolly Parton, Judy Garland, Marilyn Monroe, Madonna, Audrey Hepburn, Liza Minnelli, Barbra Streisand und so weiter. Auf Platz sechs – allein unter Frauen – rangiert ein Hetero, David Beckham, schwule Männer tauchen dagegen erst auf unter ‚ferner liefen‘ : Will Young, Elton John, Rupert Everett, Morrissey, Boy George. Und was macht so eine wie Kylie Minogue zum Liebling aller Sissies? „Glamour, Spaß, Stil und ein bisschen Kitsch“, meinen sie bei OnePoll.

Tja, es braucht offensichtlich nicht viel, um zu einer Ikone erwachsener schwuler Männer zu werden. Oder doch? Ganz streng stellt einer bei Wikipedia ein paar „Grundvoraussetzungen“ auf, um zu einer Ikone zu werden. Er (oder besser: sie) müsse die „Community unterstützen“ und das „Thema H.“ öffentlich oder „zumindest unterschwellig“ ansprechen, müsse gerne mit „LGBT’s“ zusammen sein „als ehrliches Gefühl“ und dürfe sich auf keinen Fall „abschätzig gegenüber LGBT’s“ äußern. Brigitte Bardot kommt deshalb nicht in Frage, auch wenn sie nur die Wahrheit spricht: „Schwule wackeln mit ihrem Hintern, spreizen ihren kleinen Finger ab und klagen mit ihren piepsigen Kastraten-Stimmen darüber, was die grässlichen Heteros ihnen antun.“ Da ist eine wie Mariah Carey beliebter, die punktet mit faulen Komplimenten: „Schwule haben so hervorragende Umgangsformen und gehen gerne mit den fabelhaftesten Frauen aus.“ Der Mensch will betrogen sein, auch der schwule.

Übertragen auf deutsche Verhältnisse würden bei gleicher Umfrage sicher ähnliche Gestalten auftauchen: Zarah Leander, Marianne Rosenberg, Evelyn Künneke, Désirée Nick, Hildegard Knef, Mary Roos, Lotti Huber. Auffallend in derlei Sympathie-Listen ist immer wieder die deutliche Überzahl älterer Frauen oder längst verstorbener. „Die wollen garantiert nichts mehr von uns, absolut nichts!“, hat dazu einmal der große Detlev Meyer geschrieben und fragt: „Beten wir Frauenleichen an, weil wir vom lebendigen Mann enttäuscht sind?“ Und all jenen, die jetzt noch einwenden: ‚Wir aber verehren Marianne Rosenberg, und die lebt doch noch!‘, antwortet Meyer ohne Mitleid: „Die Frau selber lässt uns kalt, weil ihre Biographie nichts hergibt. Wir lieben ihre Lieder, auf der Straße würden wir die Sängerin nicht erkennen.“

Anders gefragt: Warum verehrt der homosexuelle Mann nicht jene, die ihm wirklich nahe stehen? Warum gehört nicht Alan Turing zu seinen Idolen, oder Sal Mineo, Klaus Mann, Rosa von Praunheim oder – wenn’s denn sein muss – Klaus Wowereit? Alles Männer, die Herausragendes geleistet haben oder den Mund aufgemacht, als noch ganz viel Mut dazu gehörte. Detlev Meyer muss dazu das letzte Wort haben: „Die Zeit, unsere ZeitgenossInnen zu lieben, nehmen wir uns nicht. Sie zu verehren, könnte Arbeit bedeuten, Freudearbeit, Trauerarbeit. Bequemer ist es auf dem Sofa, wo wir in müßiger Selbstliebe Konfekt und alte Filme goutieren.“