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Archiv-Artikel

der geist von genf (4) Der Chef des geizigen Homöopathen

Gerhard Mayer-Vorfelder ist in Genf eingetroffen. Der Delegationsleiter referiert über seine Fitness, während Jürgen Klinsmann feixend neben ihm sitzt

Genf ist eine schöne Stadt. Es gibt die riesige Fontäne „Jet d’Eau“ zu bestaunen, die Kathedrale St. Peter und das Geburtshaus von Jean-Jacques Rousseau. Seit Donnerstag ist die Stadt um eine Attraktion reicher. Gerhard Mayer-Vorfelder ist am Genfersee eingetroffen, der halbe Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. Man hat ihn aus Glasgow eingeflogen, wo die Exekutive des Kontinentalverbandes Uefa tagte. Es ging um Fragen des Rassismus, aber das ist natürlich nichts im Gegensatz zu den Aufgaben, denen sich der 73-Jährige in der Schweiz zu stellen hat. Mit geschultem Blick hat er die Lage im Lager erfasst und feststellen können, dass der Zustand der WM-Elite ganz hervorragend sei. Doch bevor er die Fitness der Spieler lobte, widmete er sich der eigenen.

„Ja, zunächst mal melde ich mich zurück, ich war ja einige Zeit ausgefallen“, sagte Mayer-Vorfelder am Freitag. Er hat sich vor geraumer Zeit einer Herzoperation unterziehen müssen. Die Bypass-OP hat ihm offensichtlich zugesetzt. Gebrechlich wirkte der Funktionär auf dem Podium im Stade de Genève. „Ich bin ja durchaus in der Lage, die Geschäfte zu führen“, sagte er ungefragt. Wie auch immer, in Genf muss man sich keine Sorgen um ihn machen. Das Internationale Rote Kreuz hat seinen Hauptsitz in der Stadt, wie auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Dem „Delegationsleiter“ saß Jürgen Klinsmann zur Seite. Die mit schwerer Zunge vorgetragenen Ausführungen seines Nebenmannes begleitete er feixend. Er nimmt seinen Vorgesetzten schon lange nicht mehr für voll.

Der Bundestrainer fühlt sich im Trainingscamp eher der Wipo verbunden, der ebenfalls in Genf ansässigen Weltorganisation für intellektuelles Eigentum. Was Klinsmann denkt und was er will während der WM, das behält er schön für sich. „Es soll ja noch spannend bleiben für euch“, sagte er zu den Journalisten, die ihm am liebsten die Aufstellung für das heutige Länderspiel gegen Luxemburg entlockt hätten. Da kennen sie Klinsmann aber schlecht, denn der dosiert Informationen wie ein geiziger Homöopath. „Das ist ja schließlich ein offizielles Länderspiel“, sagte er. Sicher ist nur, dass Michael Ballack von Anfang an spielen wird, wie der Cheftrainer betont. Und Jens Lehmann steht im Tor.

Dass Ballack in Freiburg aufläuft, gehört zu den Topmeldungen des Tages. Noch am Donnerstagabend war folgende Diagnose verkündet worden: „Zerrung des Kapselbandes des linken Knöchels“. Die hatte sich der Kapitän in einem Testspiel gegen die A-Jugend von Servette Genf (12:0) zugezogen. Das sei nicht weiter schlimm, hieß es später. Die Erleichterung im Lager des DFB war dennoch groß. Ballack besetzt nun mal in den Planspielen die Hauptrolle und allerorten wird seine „enorme Wichtigkeit“ betont. Spötter erteilten dem DFB daraufhin den dringenden Rat, Ballack in Watte zu packen, damit dem deutschen Spielgestalter bis zum Eröffnungsspiel kein Haar gekrümmt werden kann.

Vielleicht sollte man auch Gerhard Mayer-Vorfelder gezielt schonen. Ab September kommt immerhin etwas weniger Arbeit auf ihn zu. Dann endet seine halbe Präsidentschaft. In den internationalen Verbänden aber mimt Mayer-Vorfelder unverändert den kreglen Zampano. Manche meinen, dies verstoße gegen die Genfer Menschenrechtskonvention. MARKUS VÖLKER