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Archiv-Artikel

debatte: nordrhein-westfälische kulturpolitik trotz leerer kassen Wir brauchen keine Leuchttürme in einer kulturellen Wüste!

Jammern nützt niemandem. Handeln wider den Paradigmenwechsel ist angesagt

Die Kulturförderung im Land Nordrhein-Westfalen blutet. Die Kultursekretariate müssen bis 2005 auf 35 Prozent ihrer Mittel verzichten. Im Bibliotheksbereich betragen die Einsparungen 44 Prozent, in der Literaturförderung 25 Prozent. 0,27 Prozent des Gesamthaushaltes für die Kultur sind ein äußerst kläglicher Anteil. Die radikalen Kürzungen der Landesregierung drohen die kulturelle Grundversorgung der Bürger zu zerstören. Kulturprojekte im kommunalen Raum sind existenziell gefährdet. Leuchtturm-Programme hingegen werden von den Kürzungen weitestgehend verschont. Die Ruhrtriennale erhält auch in diesem Jahr unverändert neun Millionen Euro.

Jammern jedoch nützt niemandem. Handeln wider den Paradigmenwechsel ist angesagt. Wir müssen die Krise als Chance begreifen, um die Kulturpolitik neu zu justieren. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Mittel, sondern um eine effektive Veränderung von Strukturen und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Nordrhein-Westfalen braucht zur Rettung seiner vielfältigen Kulturlandschaft dringend einen kulturpolitischen Diskurs. Wir brauchen eine Entflechtungsdebatte und müssen weg von der Staatskultur. In der Kulturpolitik brauchen wir einen aktivierenden, nicht jedoch einen aktiven Staat.

Wir müssen regelmäßig unsere kulturpolitischen Zielsetzungen und spartenspezifische Förderziele überprüfen und Konsequenzen ziehen. Die Kulturförderung des Landes muss treffsicher und stärker projektorientiert gestaltet werden. Die Projektförderung sollte zeitlich befristet werden und auf einem Qualitätskriterienkatalog unter besonderer Berücksichtigung der Nachhaltigkeit basieren. Wer kulturelle Spitzenleistungen will, der muss auch künftig in der Breite fördern. Schwerpunkte dabei müssen sein: die gezielte Förderung der Breitenkultur mit dem Ziel einer besseren Vernetzung, die Evaluierung der institutionellen Förderung hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, die weitere Förderung der Lesekultur und der Literaturlandschaft und deren Vernetzung mit allen Bildungseinrichtungen, die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Ministerien für Kultur und Schule sowie zwischen allgemein bildenden Schulen und Kindergärten mit Musik- und Jugendkunstschulen.

Der Sparzwang und die verstärkte Notwendigkeit, wirtschaftlich zu arbeiten, schaffen neue Kreativität, fördern ein Umdenken in unseren großen Kultureinrichtungen. Zum Beispiel in Richtung eines Wechsels der Betriebsform, einer Neuorganisation von Spielplänen, eines verstärkten Austausches großer Sammlungen innerhalb der Museumsausstellungen, einer Zusammenarbeit der freien Szene mit den traditionellen Kultureinrichtungen, Museumsnächte und anderen Projekten im Land. Diese Hinwendung zum Publikum fördert die Identifikation der Bürger mit den Kultureinrichtungen, öffnet den Weg für neues Publikum und wird künftig Sponsoren überzeugen.

Eine Konzentration der nordrhein-westfälischen Kulturpolitik auf wenige Landesprojekte, die zwar eine gewisse Strahlkraft aufweisen, schadet der Kulturregion NRW, wenn sich gleichzeitig für viele Kultureinrichtungen im Land jedes Jahr die Existenzfrage stellt. Wir brauchen keine Leuchttürme in einer kulturellen Wüste! BRIGITTE CAPUNE-KITKA