das wichtigste : Der resignierte Sondergesandte
James Wolfensohn verlässt das sinkende Schiff. Desillusioniert, erschöpft vielleicht, und um eine halbe Million Dollar ärmer als noch vor einem Jahr, als er seine Mission als Sondergesandter des Nahost-Quartetts aufnahm. Die wirtschaftliche Entwicklung im Gaza-Streifen nach dem israelischen Abzug stand im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Aus eigener Tasche zahlte er 500.000 Dollar für den Erhalt der Gewächshäuser, die die jüdischen Siedler zurückließen. Eine gelungene Investition – der Betrieb wurde von den „erbenden“ Palästinensern engagiert fortgesetzt. Was den Bauern zusetzte, war die Schließung der Grenzübergänge. Lieferungen verzögerten sich, während die Produkte verrotteten. Wolfensohn drängte auf verbesserte Kontrollsysteme, um die Transporte zu beschleunigen. Und er trieb das Lösungsmodell für eine Verbindung zwischen Gaza-Streifen und Westjordanland voran. Von „einer Reihe von Erfolgen“ bei der wirtschaftlichen Entwicklung sprach er gegenüber der Washington Post, doch mit dem Wahlsieg der Hamas sei seine Aufgabe praktisch unlösbar geworden. Mit der Hamas, „einer Gruppe, die sich die Zerstörung ihres Nachbarn zum Ziel setzt“, sei jeder Fortschritt im Bereich Nahost-Diplomatie blockiert.
Der 72-Jährige gilt als äußerst charmant, als talentierter Cellist und rücksichtsloser Finanzier. Auch ohne die halbe Million für die Gewächshäuser gehört er zu den Reichsten der Welt. Von seinem Vater, einem eher erfolglosen jüdischen Geschäftsmann, hat er das Geld nicht geerbt. Geboren in Sydney, erkannte er nach eher mittelmäßiger Schulkarriere und Offizierszeit in der Armee als Student der Betriebswirtschaft seine wahre Begabung. In den frühen 60ern, als er zu den Fechtern im australischen Olympia-Team gehörte, machte er sich einen Namen in der Geschäftswelt. 1967 holte ihn ein internationales Investitionsunternehmen nach London und schickte ihn bald ins Hauptquartier nach New York.
Den Ruf des Sanftmütigen, der stets mit dem Herzen bei der Sache ist, bekam er erst nach seiner Ernennung zum Chef der Weltbank durch US-Präsident Bill Clinton 1995. Zehn Jahre lang blieb er auf dem Posten, bereiste über 100 Länder und nahm einen Dialog mit den Entwicklungshilfeorganisationen auf, die bis dahin zu den schärfsten Kritikern der Organisation gehörten. Seine Entscheidung, eine dritte Periode als Präsident abzulehnen, bedauerten auch NGOs. Auch die Palästinenser sehen Wolfensohn schweren Herzens ziehen, wenngleich US-Außenministerin Condoleezza Rice ein „encore“ signalisierte: „Ich hoffe, dass er seine Uniform nicht allzu weit weghängen wird.“
SUSANNE KNAUL