das portrait: Bischöfin Petra Bahr darf handfest Politik machen
Es ist schon eine Nachricht mit Seltenheitswert, wenn eine Bischöfin in ein Ministerium wechselt – die neue Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) hat Petra Bahr als Staatssekretärin für ihr Familien- und Bildungsministerium ausgesucht; Bahr ist seit 2017 Regionalbischöfin im Sprengel Hannover. Wenn man dem humanistischen Pressedienst glauben darf, ist es das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein so hoher geistlicher Würdenträger ein so wichtiges politisches Amt bekleidet.
Noch vor wenigen Wochen hatte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gefordert, die Kirche solle sich heraushalten aus der Politik: Zu oft äußere sie sich zu statt zum Seelenheil zu tagespolitischen Fragen. Gemeint sind Kirchenvertreterinnen wie Bahr und raushalten ist ihre Sache nicht. Bahr äußert sich seit Jahren abseits der Kanzel – tagespolitisch und manchmal schmerzhaft konkret. Als die ehemalige Landesbischöfin Margot Käßmann 2023 das „Friedens-Manifest“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht unterschrieb, stellte sich Regionalbischöfin Bahr öffentlich gegen sie. Bahr ist seitdem bekannt als die evangelische Theologin, die sich für Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzt.
Wenig gefällig auch ihr Beitrag während der Coronapandemie: Schleswig-Holsteins damalige Bildungsministerin Karin Prien hatte 2022 auf Twitter geschrieben, dass Kinder „mit“ und nicht „an Corona“ gestorben seien, und sich einen Shitstorm und Rücktrittsforderungen eingefangen. Bahr sprang Prien in der unpopulären Frage zur Seite – mit der philosophischen Betrachtung, dass das Leben fragil sei. Und mit der spröde-realpolitischen Betrachtung, dass es „um einen fairen Umgang mit unterschiedlichen Risikoeinschätzungen“ gehen müsse, wegen „der multiplen Folgen des jeweiligen Handelns“. Seelenheil klingt anders.
Ob Prien sich ihrer deshalb erinnert hat? Oder ist sie ihr schon an anderer Stelle über den Weg gelaufen? Letzteres ist wahrscheinlich, denn Bahr hat immer schon zwischen den Sphären der Theologie und der Politik gewechselt. So arbeitete die Theologin und Philosophin nach ihrem Studium kurzzeitig für eine Unternehmensberatung – und ab 2014 drei Jahre lang für die Konrad-Adenauer-Stiftung, in der Abteilung Politik und Beratung. Ihre Funktionen in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) waren eher theoretischer Natur: Pastorin einer Gemeinde war sie nie, dafür Kulturbeauftragte des Rates der EKD.
Seit 2020 ist sie auch Mitglied des Deutschen Ethikrats. Sie genieße es, sagt sie im NDR-Podcast, dort genötigt zu sein, gute Argumente zu finden. Und das Tollste: „Man verlernt dort auch die eigenen Positionen.“Lotta Drügemüller
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