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Archiv-Artikel

crime scene Geschlossene Räume: ein sehr müder und ein packender Thriller, jeweils mit Aufkleber auf dem Cover

Es ist wahrscheinlich nicht verboten, aber ganz schön dreist, ein Buch schon vor der Auslieferung mit einem Aufkleber zu versehen, auf dem „Der Bestseller“ steht. Die müssen es ja nötig haben, denkt man da. Aber wer weiß; wahrscheinlich haben schon schlechtere Bücher die Charts erklommen als Sebastian Fitzeks „Amokspiel“. Und natürlich erfüllt der Schummelsticker doch seinen Zweck, denn er weckt so viel Aufmerksamkeit, dass man aus reiner Neugierde schon mal anfängt zu lesen.

So sei es denn! Fitzek schafft einen durchaus spannenden Rahmen für eine actionreiche Story. Ein Mann wartet vergeblich auf seine Frau. Da erhält er einen Anruf von ihr: Er solle niemandem etwas glauben. Gleichzeitig wartet schon der Polizist vor der Tür, der ihm erzählen wird, sie sei vor einer halben Stunde bei einem Unfall gestorben. Das ungelöste Rätsel dieses Prologs zieht uns geschickt hinein in den Roman, dessen eigentliche Heldin eine alkoholkranke Polizeipsychologin ist, die gerade dabei ist, sich umzubringen, als sie zu einem Einsatz beordert wird: Ein offenbar Geistesgestörter hat im höchsten Hochhaus Berlins, in einem Radiosender, sechs Geiseln genommen. In Abwandlung eines Hörerspiels, für das der Dudelsender bekannt ist, droht er, die Geiseln eine nach der anderen zu erschießen, wenn die Menschen, die er nach dem Zufallsprinzip irgendwo in der Stadt anruft, sich nicht mit einer von ihm ausgegebenen Parole melden.

Dieses Szenario hat, wie man so schön sagt, eine Menge Potenzial. Das Bild der bedrohten Menschen im Hochhaus umweht ein gewisses „Die Hard“-Flair. Leider hat der Roman seinen Höhepunkt damit nur allzu schnell erreicht – und verzettelt sich danach in immer überflüssigeren Verwicklungen und Actionszenen, die über eine im Kern sehr müde kleine Geschichte hinwegtäuschen sollen.

Fitzeks größter Fehler ist es wahrscheinlich, das Hochhaus-Setting zu schnell zugunsten immer neuer Schauplätze zu verlassen. Wie fantastisch ein Thriller funktionieren kann, der sich ganz auf das klassische „Geschlossener Raum“-Szenario einlässt, zeigt im Gegensatz dazu das amerikanische Autorinnenduo P. J. Tracy in „Mortifer“. Der geschlossene Raum umfasst in diesem Fall ein ganzes Dorf – mit dem bezeichnenden Namen Four Corners – und seine Umgebung. Zu Beginn dürfen wir erleben, wie ein Milchlaster verunglückt und alle Bewohner des Ortes eines sehr plötzlichen Todes sterben. Später am selben Tag haben die Computerspezialistinnen Annie und Grace und die FBI-Agentin Sharon (alles Figuren aus früheren P.-J.-Tracy-Romanen) im nahen Wald eine Reifenpanne. Als sie auf der Suche nach Hilfe das Dorf erreichen, ist es wie ausgestorben und wird von paramilitärischen Truppen bewacht, die einen weitläufigen Ring um das Gelände gezogen haben und dafür sorgen, dass niemand lebend hinein- und hinauskommt. Die Frauen sitzen in der Falle. Doch weit davon entfernt, sich hilflos abschlachten zu lassen, kämpfen sie ums Überleben, derweil ihre Kollegen in der fernen Stadt verzweifelt nach einem Anhaltspunkt suchen, wo die Vermissten sich aufhalten könnten (natürlich funktionieren in den Wäldern von Minnesota die Handys nicht).

Die Konstruktion erinnert an den Aufbau eines Gesellschaftsspiels: Eine Mannschaft verteidigt ein Gebiet, derweil die andere von innen und außen versucht, den Ring zu durchstoßen. Ein einfaches, aber hier konsequent eingehaltenes Prinzip. Und weil die zu lösende Aufgabe gleichzeitig so einfach und so schwer ist, werden wir als Leser gepackt. „Diesen atemberaubenden Thriller werden Sie nicht mehr aus der Hand legen!“, hat der Verlag kühn auf den Einband drucken lassen. In diesem Fall eine zutreffende Vorhersage.

KATHARINA GRANZIN

Sebastian Fitzek: „Amokspiel“. Knaur Taschenbuch, München 2007, 425 Seiten, 7,95 Euro P. J. Tracy: „Mortifer“. Deutsch von Axel Merz. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 2006, 390 Seiten, 8,90 Euro