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Archiv-Artikel

cia-chef tritt zurück Zu spät als Befreiungsschlag

Der Rücktritt des CIA-Direktors George Tenet überrascht nicht – der Zeitpunkt schon. Der Druck auf George Tenet war nach dem 11. September 2001 schon höher als jetzt. Tenet zeichnet qua Funktion verantwortlich für das Versagen der US-Geheimdienste beim Zusammenfügen der verschiedenen Spuren vor den Anschlägen auf New York und Washington. Auch war er derjenige, der direkt hinter Außenminister Colin Powell bei jener denkwürdigen Sitzung des Weltsicherheitsrats Platz nahm, als der eine Dreiviertelstunde lang gefälschte „Beweise“ über Iraks Massenvernichtungswaffen zum Besten gab. Dass Präsident George W. Bush besser ohne eine solche Hypothek in den Wahlkampf geht, ist verständlich.

KOMMENTARvon BERND PICKERT

Dass er ihn nicht schon früher entlassen hat, mag mit der schwierigen Nachfolgesituation zusammenhängen. Ein offensiver Rausschmiss, der ein energisches Durchgreifen des Präsidenten signalisiert hätte, hätte durch eine Neubesetzung abgerundet werden müssen, die für Veränderung steht. Allein der Prozess aber, solch einen Kandidaten durch den Kongress zu bringen, hätte die ganze Diskussion über die Rolle der Geheimdienste wieder voll in Gang gebracht. Bush weiß, dass er dabei nicht gut aussieht – und irgendwann war es für „Durchgreifen“ auch einfach zu spät.

So hat Bush die stillere Variante gewählt und Tenet „aus privaten Gründen“ zurücktreten lassen. Damit kann dessen Stellvertreter John McLaughlin das Amt übernehmen – ohne Bestätigungsverfahren durch den Kongress, ergo ohne Diskussion.

Die Probleme sind mit Tenets Abgang allerdings nicht vom Tisch. Die wirren Strukturen der Geheimdienste bleiben – und auch die Politik der Regierung Bush, die Tenet wesentlich mitgestaltet hat.

Man muss nicht einmal Bob Woodwards Bücher über die Vorbereitung des Irakkrieges gelesen haben, um zu wissen, dass nur wenige so stetigen Zugang zum Präsidenten und Einfluss auf dessen Denken und Handeln hatten wie George Tenet. Was Bush sagt, stimmt: Tenet war ein starker Führer im Kampf gegen den Terrorismus – so wie Bush ihn versteht. Glaubwürdig sogar, dass Bush ihn vermissen wird. Insofern spricht wenig dafür, dass Tenets Abgang für Bush als Befreiungsschlag funktioniert, selbst wenn Tenet aus dem Weißen Haus zumindest nicht aufgehalten worden sein dürfte. Es gibt Gründe für die Hoffnung, dass Tenet nur der Erste ist, der geht.