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Archiv-Artikel

cdu im siegesrausch Merkel hat noch mehr Sorgen

Es war ein symbolisches Bild: Die beiden Männer strahlten, und die Frau in ihrer Mitte sah verhärmt aus. Die Mundwinkel hingen nach unten. CDU-Vorsitzende Angela Merkel wirkte, als hätte sie gerade eine Niederlage erlebt. Ihre Miene kontrastierte eigenartig mit der Freude der CDU-Landeschefs Roland Koch und Christian Wulff. Merkel hat Recht mit ihren Sorgen, denn so schön die Wahlsiege für die Regionalfürsten sind – für die Bundes-Union kommt dieser Erfolg viel zu früh.

Kommentarvon ULRIKE HERRMANN

Die nächsten vier Jahre werden unbequem für die Opposition, gerade weil sie nicht mehr Opposition sein darf. Der Triumph ist synonym mit „mehr Verantwortung“, wie es Merkel gestern nannte. Die Union weiß, dass sie nicht vier Jahre lang im Bundesrat blockieren kann. Diesen Stillstand würden die Wähler gar nicht schätzen. Stattdessen verlangen sie CDU-Vorschläge, das ist die Botschaft der Erdrutschsiege. Die Union wird nicht vermeiden können, dass sie Teil der Regierung wird.

Das dürfte künftig immer mal wieder triumphale Schlagzeilen für einen Tag produzieren, wenn die Union „Siege“ über Rot-Grün vermelden kann – ob es nun die Ladenöffnungszeiten oder die Regelungen des Kündigungsschutzes sind, die die CDU in ihrem Sinne gestalten darf. Aber die Hauptprobleme dürften dennoch bleiben: die hohe Arbeitslosigkeit, die Defizite in Bundes- wie Länderhaushalten ebenso wie in den Sozialkassen.

Gestern hat die Union zwar gewonnen – aber um den Preis, dass die Defizite der Regierung nun auch ihre Defizite sind. Selbst wenn die Konjunktur irgendwann anziehen sollte, ist keineswegs ausgemacht, dass der Aufwärtstrend vor allem der Union zugeschrieben wird. Die Parteien, die sich sowieso schon als „Parteien der Mitte“ verstehen, werden durch ihren Tauschhandel von Positionen noch ununterscheidbarer mittig werden.

Der Union ist dieses Problem bewusst. Ob Arbeitsmarkt, Gesundheitsreform oder Steuergesetze: Angela Merkel bestand gestern auf dem „Obligo“, dass die rot-grüne Regierung „Dinge vorschlagen“ müsse. Keineswegs werde man selbst Gesetze erarbeiten. Ein ganz klein bisschen Oppositionsrolle will man retten. Will nicht agieren müssen, sondern reagieren dürfen. Will nicht ständig gestalten, sondern häufig gegenhalten. Den Wählern wird dieser feine Unterschied wohl entgehen. Wenn die Regierung scheitert, dann auch die Union. Wahrscheinlich wird Angela Merkel die Mundwinkel noch öfters hängen lassen.