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Archiv-Artikel

bücher für randgruppen Elfenkunde

Im Reigen der Nachschlagewerke darf ein weiteres begrüßt werden. Es handelt sich dabei um kein streng wissenschaftliches, sondern eher eine Art munteres, beschwingtes Elfenbrevier für laue Sommernächte. Spitzen wir unsere Ohren und lauschen, was die Sammler Ditte und Giovanni Bandini da zusammengetragen haben. Wie bei einem Quellenwerk nicht anders zu erwarten, finden sich auch hier unzählige Details, Anekdoten und Protokolle, deren Überprüfung auf Richtigkeit der Leserschaft oft nicht ohne Weiteres möglich ist. Das Thema „Elfen“ bietet eine so ungeheure Fülle an subjektiven Beschreibungen und Definitionen, dass es eigentlich nicht möglich scheint, ein universelles und allgemein gültiges Objekt „Elfennachschlagewerk“ zu kreieren.

Bleiben wir also bei den überprüfbaren Tatsachen, die uns die beiden Autoren hier präsentieren. Und da fällt uns gleich im ersten Kapitel über „Island und seine Elfenbeauftragte“ eine kleine, aber bedeutende Unstimmigkeit auf. So ist der erwähnte Elfenpenis nicht etwa in der Reykjavíker Elfenschule am Stadtrand anzutreffen, sondern befindet sich seit 2001 – selbstverständlich unsichtbar für die meisten Besucher – in einem Apothekerglas des Säugetierpenismuseums am Laugavegur 22 im Zentrum.

Voller Stolz erwähnt der Rezensent an dieser Stelle, dass er Schöpfer des Begriffs des von den Autoren gern verwandten Wortes „Elfenbeauftragte“ ist, und fügt als Beleg hinzu, dass er dieses Wort erstmals in seinem Interview mit dem isländischen Medium Erla Stefánsdóttir (Frankfurter Rundschau, 30. 12. 1995) verwandte und es seitdem einen rasanten Siegeszug durch die deutsche Sprache erfahren hat. Doch das können und müssen die Autoren ja nicht unbedingt wissen, die erfreulicherweise alle durchforschten Quellen genauestens erfassen, Widersprüche aufspüren und freudig auf das Korrekteste verzeichnen.

Ditte und Giovanni Bandini machen dabei nicht Halt vor den klassischen germanischen Elfen und den romanischen Feen, sondern richten ihren Blick nach vorne, bis hin auf die US-amerikanischen Zahnfeen und Shoppingnixen. Sie führen uns von den literarischen Urelfen aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ bis hin zu den romantischen von Wieland, Heine und Tieck. Ja, sie spüren sogar das Vorhandensein von Digitalelfen in neuen elektronischen Medien wie dem Internet auf. Sie erfreuen uns mit genauen Informationen über die Herkunft, Entstehung und Immigrationsbewegungen der Elfen – Wie kamen die Elfen nach Deutschland ?– und Fallbeispielen vieler mit ihnen verwandter heidnischer Wesen wie Seejungfrauen und den indianischen Nagumwasuck, die überraschenderweise mit Vehemenz das Christentum gegen Betrunkene verteidigten.

Wenn es dann doch einen winzig kleinen Wermutstropfen an diesem kurzweiligen, und vielschichtigen Werk gibt, dann ist es das etwas traditionell-konventionelle bis zuweilen unerträglich kitschige Erscheinungsbild der abgebildeten Elfen und Feen auf den 16 Farbseiten, von Elfenexperten geringschätzig oft auch „Poster-Elfen“ genannt. Da wäre etwas Mut mal durchaus angebracht gewesen. In der heutigen Zeit schweben Elfen ja nicht nur harfenspielend in langen, durchscheinenden Batikgewändern freudetrunken durch den vernebelten Schwarzwald und lassen sich vom Vollmond bescheinen. Nein, es gibt eben mittlerweile auch Elfenarten, die, in ihrer Gestalt und ihrem Äußeren von vielen vielleicht noch als etwas ärmlich ausgestattet, ja „abstrakt“ wahrgenommen, mit bizarren Spiralen, Zacken und Fühlern am Aurakörper versehen in dunkelgrünen Hosenanzügen, stark behaart (Schöneberger Rabensteinelfe), in den Zentren der Großstädte leben – mitten in Verkehr und Gewühl. Diesen zeitgenössischen Elfen ein Bild zu geben, wäre dann der nächste, zukunftsweisende Schritt für einen erweiterten Elfenbegriff.

WOLFGANG MÜLLER

Ditte und Giovanni Bandini: „Das Buch der Elfen und Feen“. dtv premium, München 2003, 280 Seiten, 15 Euro