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Archiv-Artikel

bücher für randgruppen Ein bildlicher wie akustischer Einblick in die Welt des Töfflis respektive des Mofas: Das große Töfflibuch

Bevor es ganz ausstirbt, wird es also noch mal in Form eines schönen Bilderbuchs gewürdigt: das Töffli, wie es im Schweizerdeutschen heißt. Andernorts ist es auch unter dem Namen Mofa bekannt. Das Motorfahrrad begeisterte besonders in den Siebzigerjahren die heranwachsende Jugend, galt als Symbol der Freiheit. So ziert auch ein attraktiver langhaariger Halbwüchsiger den Titel des Buchs um den Mofakult. Mädchen hatten seinerzeit nur selten so ein Gefährt.

Doch nicht jeder jugendliche Knabe bekam von seinen Eltern ein Mofa zur Konfirmation geschenkt, es war relativ teuer. Aus diesem Grund verpasste ich zum Beispiel den Sprung vom Mofa zum Auto und blieb bis heute führerscheinloser Radfahrer. Die Chance, das Mofafahren nachzuholen, ergab sich dann Mitte der Achtzigerjahre in der Schweiz, Europas 2-Takt-Paradies. Dort konnte ich mit einem uralten Modell Marke Velosolex Schaffhausen, den Rheinfall und Umgebung erkunden. Ein unvergessliches Erlebnis! Übrigens: Für vor dem 1. 4. 1965 Geborene soll Mofafahren in Deutschland führerscheinfrei sein.

Das 2-Takt-Buch bietet nun einen Einblick in die Welt des Töfflis, bildlich wie akustisch. Da fällt der Blick über den Lenker und die Kilometeranzeige hinunter auf die Straße, auf einen Aufkleber am Benzintank, der uns sagt: „Bremsen ist feige“, sowie auf einen Helm, der einsam und verlassen auf seinen Besitzer wartet. Gegliedert ist das Werk durch einen Ordner, der es –von Zahn der Zeit leicht angeschmutzt – in die Kapitel eins bis zehn einteilt. Passend zu den leicht angestaubten Töffli-Einzelteilen, die in Regalen lagern, erklingt auf der beiliegenden CD die frisierte Fassung von „Born To Be Wild“ der Band Neutones: Selbermachen heißt die Devise. Das „Frisieren“ des Mofas erklärt in einem ausführlichem Fachgespräch ein Meister des Fachs – in unfrisiertem Schwyzerdütsch. Der Kantonspolizist aus Luzern weiß dagegen, dass damals geschickter am Tempo manipuliert worden sei als heute – abgesehen davon, dass das Mofa heute auf der Straße eh viel seltener auftauche. Wie angegilbte Kastanienblätter hängen alte Gebrauchsanweisungen und Aufkleber im Album, gefolgt von Farbfotos mit wunderbarem Siebzigerjahre-Braunstich.

Elegant thront im Kapitel drei eine stolze Puch Condor über der Landschaft: zwei gelungene Fluchtversuche vor der Polizei mit 50 km/h, Bußgeld: 400 Franken, und ein Schreiben der Jugendanwaltschaft aus dem Kanton an die „sehr geehrten Eltern“. Dazu ertönen sphärische Klänge von Stefan Eicher, die Sachs-Puch-Cassini Huygens Modulation No 2.

In Hauseingängen der Eidgenossenschaft lungern auch heute noch ein paar einsame Töfflis herum, sorgfältig abgedeckt mit Plastikplanen. Zu bewundern ist ein besonders schönes Exemplar in Gelb: das offizielle Töffli der Schweizer Post. „Besser als HipHop“, meint Kapitel 7, auf der CD ertönt zum Beweis der Planeske Elektropoptrack „Raketenmoped“ von Dominik Sachs. Über die Fähigkeiten des Töfflis plaudert ein anonymer Hauswart: „Das Größte, was ich damit transportiert habe, war ein Kühlschrank.“ Fröhlich erklingt dazu volkstümliches Akkordeonspiel von den Nidwaldner-Buebe. The cleanest sound in town – eine Super-Maxi produzierte die österreichische Töffli-Kultmarke Puch noch 1990, später wurde sie verkauft.

Leider ist das mundartliche Streitgespräch Puch versus Sachs für den nicht des Schweizerdeutschen Mächtigen nur schwer zu verstehen. Egal, es bringt Charme und Authentizität in das hübsche 2-Takt-Buch. Dem einen gilt das Puch-Töffli jedenfalls als Bananenmofa, und ein leidenschaftlicher Töfflisammler – seit 25 Jahren – philosophiert über sich und seine Agenten, die in den diversen Kantonen immer auf der Suche nach fehlenden Modellen für seine Kollektion sind. Töff!

WOLFGANG MÜLLER

Blättler, Erzinger, Infanger (Hg.): „2-Takt. Mofakult: Das Töfflibuch“. Christoph Merian Verlag Basel, 120 Seiten, 200 Farbabbildungen, mit Musik-CD, 32,00 Euro